Neil Young + Promise Of The Real
The Visitor
Natürlich muss Neil Young gegen Trump ansingen. Dabei gelingt ihm am Ende sogar einer seiner schönsten Songs
Natürlich war Neil Youngs Bericht zur Lage der Nation erwartbar. Einer Nation, die ja nicht ganz die seine ist, wie er gleich im ersten Song, in der ersten Zeile in Erinnerung bringt: „I’m Canadian, by the way/ And I love the USA.“ Ein schweres Rock’n’Roll-Gestampfe, ein karg gezupftes Banjo und ein Honkytonk-Klavier tragen Neils Statement über die Runden. Er glaubt an das Land und sein Versprechen. Er wird es verteidigen. Keep on rockin’ in the free world. Immer wieder. „No wall/ No ban/ No fascist USA“, heißt es im Refrain. Auch wenn Promise Of The Real, Youngs junge Begleitband, gediegener rockt als jede andere – sein politischer Furor ist ungebrochen.
Sein Spaß an Experimenten ebenfalls. „Carnival“ ist so ein Track, bei dem man hinschaut, ob irgendetwas mit dem Download nicht stimmt. Denn hier schunkelt sich der große Kanadier durch einen astreinen Tex-Mex-Walzer, sogar seine kaum verwechselbare Stimme nimmt ein neues Timbre an. Lässt sich einreihen in die Vocoder- und Rockabilly-Übungen der 80er-Jahre. Neil Young macht so etwas, weil er schauen will, wie es geht, und weil er es hinbekommt.
Davon abgesehen bespielen er und seine von den Nelson-Söhnen angeführte Truppe die ganze Klaviatur Youngscher Muster: das „Harvest“-Glockenspiel und das Hämmerklavier („Fly By Night Deal“), den pastoralen Rock („Stand Tall“), den gepfiffenen Refrain („Change Of Heart“), das Boogie-Klavier und das Blues-Riff („Diggin’ A Hole“), die Zitterstimme, die „lately I’ve been thinking of the changing world“ singt, zu einem Rhythmus, der freundlich klappert wie ein treuer Gaul auf seinem letzten Weg, bevor der Chor einsetzt und dann die Mundharmonika („Almost Always“). Und natürlich schießt er mindestens mit den Synth-Fanfaren, Streichern und dem frommen Choralgesang „Stand up for what you believe“ im unfassbaren „Children Of Destiny“ über jedes Ziel hinaus.
Die besten Songs hebt er bis zum Schluss auf. Der Kneipenboogie „When Bad Got Good“, der fast wie der frühe Captain Beefheart klingt, sich auf Trump bezieht und die nette Hillary-Retourkutsche „Lock him up!“ fährt. Und die von Congaschlägen begleitete Ballade „Forever“, die es in die Sammlung schönster Neil-Young-Balladen schafft. „Earth is like a church without a preacher“, singt er mit in der Höhe kippender Stimme. Was nicht stimmt: Der Prediger ist zur Stelle, aber eine Robert-Mitchum-in-„Nacht des Jägers“-Figur. Im Gegensatz zum Prediger Young, dem guten Hirten und zornigen Ankläger, der mit dem 10 Minuten 30 Sekunden langen Song unsere Seelen wärmt. So einer kann auch Kirchen füllen und die Erde retten. (Reprise/Warner)