Niemand sonst kann so sentimental und doch erschütternd singen: „No one can kill me like you do“, fistelt Neil Young in „Such A Woman“, dem zweiten Song des Konzerts, vorgetragen zur Klaviermusik. Der Auftritt des Träumers ist nichts anderes als die Darbietung des Albums „Harvest Moon“, das 1992 erschien – und nach den rustikalen Gewittern von „Ragged Glory“ wenig Verständnis fand. Auch mit „Harvest“ von 1972 hatten diese ungeschützt zärtlichen Balladen wenig zu tun.

Eine verblüffende Verschiebung gegenüber der Studio-Aufnahme von „Harvest Moon“ entsteht schon dadurch, dass das mächtige „Unknown Legend“ nicht am Anfang steht. Die veränderte Reihenfolge der Stücke, die Erwähnung von „my Canadian prairie home“ in „One Of These Days“, überhaupt die seit 1992 vergangene Zeit lassen die Songs im milden Licht des Spätwerks und von Jonathan Demmes Konzertfilm „Heart Of Gold“ erscheinen. Die Frau, die der Erzähler von Hank (Marvin) bis (Jimi) Hendrix liebte, die unbekannte Legende mit den langen wehenden Haaren, der aufgehende Mond – kein Dichter brauchte je so wenige Worte, um Liebe und Vergänglichkeit zu evozieren. Im Tanz unter dem Erntemond kommen noch einmal alle großen Young-Balladen zusammen, feiert er noch einmal das Kreatürliche angesichts des grausigen „War Of Man“ – dieses thematisch nicht recht adäquate Stück beendet hier den zauberischen Reigen. Der zentrale Song „Natural Beauty“ steht an vorletzter Stelle.

Neil Young hat seine Bestandsaufnahmen schon früh gemacht. Songs wie „No More“, „Wrecking Ball“, „Someday“ und „Crime In The City“ handelten bereits vor 20 Jahren von der Behauptung in einer fremd gewordenen Welt; „Trasher“ liegt noch weiter zurück. Jung war Young vielleicht ein paar Minuten bei Buffalo Springfield. Aber das gefiel ihm ja eben nicht. Umso jünger wirkt er heute im Vergleich mit dem biederen Nostalgiker Stephen Stills und den Schunkelbrüdern Graham Nash und David Crosby.

„Harvest Moon“ und nun „Dreamin‘ Man“ erzählen auf einzigartige Weise vom Glanz der bloßen Erinnerung und den paar Dingen, die bleiben. „I never believed in much – but I believed in you/ The same thing that makes you live/ Can kill you in the end.“ Sie werden heiße Zehren weinen. (Warner)

Arne Willander