Neil Young + Crazy Horse: „Barn“ – Famoses Dengeln ohne Rostansatz
Warner
Kantige und nostalgische Songs vom alten Nonkonformisten und seinem Gespann. Die ROLLING-STONE-Review zum neuen Album von Neil Young und Crazy Horse.
Nach der Frühphase, der klassischen Phase, der „schwierigen“ Achtziger-Phase, der Godfather-of-Grunge-Phase und dem Spätwerk in den Nullerjahren befindet sich Neil Young, sagen wir seit „Americana“ von 2012, in der Jenseits-von-Gut-und-Böse-Phase oder wahlweise der Immer-so-weiter-Phase. Dafür wird er verehrt. Von Hippies und Hipstern. Von Rockern, die riestern, und Hochschulabsolventen, die hartzen. Meist ohne Angabe genauerer Gründe. Der Alte ist halt cool.
Im vergangenen Jahrzehnt war der Meister produktiver als hundert Start-ups. Er spielte Coverversionen in einer Art Telefonzelle („A Letter Home“) und nahm mit einem Orchester auf („Storytone“). Er entwickelte den PonoPlayer für unkomprimierten Musikgenuss unterwegs und schüttete Unmengen von Archivmaterial über seine Gefolgschaft. Er fand eine neue Muse (Daryl Hannah) und drehte mit ihr einen transzendentalen Western („Paradox“).
Die musikalische Frischzellenkur mit Promise Of The Real scheint indes abgeschlossen. Wie schon auf „Colorado“ (2019) heißt Youngs Begleitband wieder Crazy Horse. Der Mann, der dem Wort „unbeirrt“ zu ungeahnten Ehren verholfen hat, zieht den alten Rumpelkarren aus der Scheune. Und es rumpelt mal wieder prächtig.
„Song Of The Seasons“ mit Nils Lofgren am Akkordeon fungiert noch als akustische Aufwärmübung. Das Sentimentale gehört ebenso zu Youngs Stil wie Kindsköpfigkeit, Kitsch, Verschrobenheit, Romantik, Starrhalsigkeit, Gerechtigkeitssinn und Nostalgie.
„Heading West“ dengelt famos ins Dickicht der Erinnerung. Das Zerren der E-Gitarre hält die Einzelteile zusammen, auch wenn die „good old days“ verblassen. „Canerican“ ist kaum komplexer als sein Titel und zeigt Young einmal mehr in der Rolle des zerrissenen Patrioten. In „Human Race“ wettert er gegen die Gleichgültigkeit im Angesicht globaler Umweltkatastrophen.
„Shape Of You“ und „Tumblin’ Thru The Years“ klingen dank Lofgrens launigem Saloon-Geklimper wie Überbleibsel aus „Tonight’s The Night“-Zeiten. Doch die Essenz von Youngs Immer-so-weiter-Phase steckt in „Welcome Back“: „Gonna sing an old song to you right now/ One that you heard before/ Might be a window to your soul I can open slowly.“
Der alte Seelenöffner ist noch nicht verrostet.