Motörhead
Hammered
STEAMHAMMER/SPV 08.04.2002
Motorhead? Hört da eigentlich noch jemand hin? Oder haben sich bei Lemmy und seinem Manipel nicht längst – und wie so oft bei den archaischen Figuren der Rockhistorie – sündiger Mythos und Anekdote vor die profane, faltige und leider auch manchmal etwas ennuyante Realität geschoben?
Nun, wer’s wagt, wird sogleich überrascht festellen, dass der Opener „Walk A Crooked Mile“ das seit langer Zeit Eingängigste ist, was über Lemmys bleiche Lippen kam. Man ist beinahe angerührt von der Hingabe, mit der sich diese ausgelaugte, zerdellte, kranke Stimme in den beinahe zu glatten Chorus wirft, Melodien generiert, die einfach kein Mensch von diesem zynischen harten Knochen mehr erwarten konnte. Gitarrist Phil Campbell bekommt hier sogar zwei lange Solopassagen zum Vollmachen, und er tut dies mit Gelassenheit, Empathie und einem Wah-Wah-PedaL Es gibt also doch noch ein Land hinter den riesigen Notenbergen!
Wie auf jeder anderen Motörhead-Platte gilt es einmal mehr, sich einen gesunden Stoizismus zu bewahren, der hilft über manche akustische Durststrecke hinweg, auf der einem dann doch nur wieder die tausendmal gehörten Riffs, Licks, Phrasen etc. um die Ohren fliegen. Man muss Songs wie „Brave New World“ oder „Mine All Mine“ oder „Kill The World“ oder „Dr. Love“ nicht gehört haben, um sich in etwa vorstellen zu können, was es da gibt Aber so ist es nun maL und man wird das in diesem Leben Lemmys auch nicht mehr ändern können. Eiserne Regel: Wenn die Hälfte der Songs was taugt, ist schon viel gewonnen.
Insofern kann man im Fall „Harnmered“ durchaus zufrieden sein, weil da mit dem Grabesgesang „Voices From The War“, dem perkussiven, hübsch hookenden „Shut Your Mouth“ und „Red Raw“, diesem gehetzten, panisch um sein Leben laufenden, alles niedertrampelnden Song-Elefanten, noch mehr von dem reinen Stoff drauf ist. Ja, „Red Raw“ zumal, da schrubben alle an einem Stück. Und so hat es sich denn doch gelohnt, mal wieder hingehört zu haben!