Morrissey :: You Are The Quarry
Am Anfang war natürlich jener Zweifel, ob der beste englische Lyriker unserer Zeit, der umstrittenste Provokateur, der frechste Sensibilist, der absurdeste Emigrant, der giftigste Kritiker Britanniens und Amerikas es noch einmal schaffen könnte. Ein paar der Songs von „You Are The Quarry“ kursierten schon lange in der Gemeinde. Man hätte gewarnt sein können. Dann gab es die ersten Hörsitzungen. Ein mir bekannter Autor wurde mit Tränen in den Augen beobachtet Es dauerte eine Weile, dann hatte ich Tränen in den Augen. Das ist heute natürlich kein Argument mehr, da jedes Gefühl hundertmal in den Medien korrumpiert und manipuliert wurde. Aber Morrissey, dieser Hund, hat uns wieder erwischt. Wenn er in „Come Back To Camden“, einer unfassbar überladenen und gottverdammt rührenden Ballade, „Drinking tea with the taste of the Thames/ Sullenly on a chair on the pavement/ Here you’II find my thoughts and I/ And here is the very last plea from my heart“ singt, dann gibt es keinen schöneren Aphorismus über Heimweh. Was stören noch das synthetische Schlagwerk, die falschen Streicher, die komischen Flötentöne, das ganze laute Rhythmusgedöns? Die Eleganz von „Maladjusted“ ist dahin, doch Morrissey dominiert diese Demos, die den Morrisseyton, die Morrisseymanierismen und die Morrisseymelodien treffen wollen.
„I’m not sorry for die things I’ve said/ There’s a wild man in my head“, singt Morrissey in „I’m Not Sorry“. Und wie er singt! Mit klarer Phrasierung und doch allem Schmelz, allem Willen zur Melodie kämpft er gegen die vollgestopften Arrangements, die lärmenden Gitarren. Und gewinnt.
Spätestens bei „The First Of The Gang To Die“ begreift man, dass dieses billige musikalische Ambiente kein Nachteil ist. Das grelle, klischeehafte Straßendrama um Hector ist ja selbst ein B-Movie der berückendsten, ergreifendsten Sorte (und einer der schönsten Morrissey-Songs überhaupt). Der Platz reicht hier nicht, um alle anderen raffinierten Stücke zu preisen. Zum Beispiel „America Is Not The World“, natürlich kein primitives Lied über 9/11, Globalisierung oder Bush, sondern ein Liebeslied an das Land: „And I have got nothing to offer you/ No-no-no-nono/Just this heart deep and true/ Which you say you don’t need.“
In dem Abgesang „You Know I Couldn’t Last“ macht Englands letztes Genie schließlich reinen Tisch. „There’s a cash register ringing and it weighs so heavy on my back/ Someone please take me home.“ Diese Platte ist so sentimental, so herzzerreißend und kitschig wie die Szene in „Rebel Without A Cause“, in der James Dean dem toten Sal Mineo seine rote Jacke umlegt Ihm war immer so kalt.