Megafaun
Gather, Form & Fly
Zunächst sind Megafaun aus Wisconsin eine weitere vintage Americana-Band. Dreistimmige Gesänge wie von Crosby, Still & Nash, Banjo, schimmernde Akustikgitarren, bärtige Männer, die wie amish people aussehen: Die Zutaten sind bekannt. Die Brüder Brad und Phil Cook hatten mit ihrem Trommler Joe Westerlund bis vor einiger Zeit eine Band mit Justin Vernon, den die Welt danach als Bon Iver kennenlernte, auch das passt.
Alles klar, meint man bei den ersten Liedern. Den Opener „Kaufman’s Ballad“ schrieb die Band für Phil Kaufman, der Gram Parsons‚ toten Körper stahl, um ihn gemäß des Wunsches des Toten in Joshua Tree zu verbrennen. Die Gitarren werden gepickt, die Fiddle spielt wie im Bürgerkrieg. Es ist eine psychedelische Weite in dem geheimnisvollen Lied, der Sänger klingt ein bisschen nach dem späten Robert Plant, die Musik verbindet archaische Folklore mit dem Westcoast der späten Sechziger. In dem folgenden „The Fade“ wird wiederum vielstimmig gesungen und mystisch geschunkelt wie bei den Byrds. Midlake könnten dieses Lied ebenso gut spielen, würden allerdings ein paar alte Synths addieren.
Jene Synths kommen beim folgenden „Impressions Of The Past“ zum Einsatz, der ersten großen Verwirrung dieses Albums. Dissonante Geigen, torkelnde Trommeln, analoges Blubbern, plötzlich Pop und Jethro-Tull-artige Folk-Gesänge. „Impressions of the past will be mourned until I find what it is I’m looking for“, singen die Männer, der abstrakte Dekonstruktivismus streitet mit der alten Weise. Im Verlauf der Platte kommen Megafaun immer wieder vom Weg ab, lassen die Töne detonieren und forschen nach der Schönheit des Klangs. „Darkest Hour“ ist zunächst eine Installation aus rhythmisch angeordneten Wassertropfen, wird dann zu einem formalen Kanon, um schließlich in Geräuschen zu zerbröckeln wie „A Day In The Life“. „Colums“ ist eine Art gesungenes Rezitativ, unter dem Küchengeräte klappern. Am Ende dreht das Lied durch und wird zu einer Krautrock-Übung.
Nur gut, dass zwischendurch immer wieder unschuldige Folklore kommt, bei der Mandolinen zirpen und tief verwurzelt musiziert wird. Dass das alles zusammenpasst, ist vermutlich das gewünschte Resultat dieses Versuchs: Alles ist Folk, Folk ist alles.
Jörn Schlüter