Matthew E. White

Fresh Blood

Domino

Tiefgründig und leicht zugleich: Der weiße Typ aus Virginia macht den außergewöhnlichsten Soul, den man zurzeit kriegen kann

„Wenn ein cooler, schwarzer Typ das sänge, würde man es mit Sicherheit ‚Soul‘ nennen“, meinte Matthew E. White einmal über sein großartiges Debüt von 2012. „Aber ich bin nur ein weißer Typ, der nicht so gut singen kann.“

Darin steckt eigentlich schon das meiste von dem, was man vorweg auch über den Album-Nachfolger von „Big Inner“ wissen sollte. Zu den schönen Eigenarten des haarigen Mannes aus Virginia gehört nämlich auch diesmal wieder, wie er damit umgeht, dass seine Stimme nicht immer zuverlässig trägt: Er lässt sie zärtlich hauchen, löst sie in schmeichelnde Layer auf und taucht sie sanft in den Fluss der Instrumente.

Nicht unterschätzen sollte man jedoch, dass der studierte Gitarrist sowohl Rock- als auch Jazz-Erfahrung hat und bis heute der Improv-Jazz-Big-Band Fight The Big Bull vorsteht. Aus deren Personal rekrutiert der 32-Jährige auch die im Geiste der großen Soul-Labels konzipierte Hauskapelle seines Labels Spacebomb. Das erhellt die Stringenz des Sounds, aber auch die feinen Arrangements, die stets eine Nuance außergewöhnlicher und angeschrägter koloriert sind, als man das herkömmlicherweise kennt – manchmal auch ein bisschen mehr, denn die Texte schürfen oft unerwartet tief. Es geht um Sehnsucht und Lust, aber auch um Selbstmord, sexuellen Missbrauch und Glauben, und im großartig ins Dissonante schleifenden Sog von „Tranquility“ um den Tod von Philip Seymour Hoffman.

Als Gesamteffekt verschiebt sich durch die lässig beiläufigen Maßnahmen der Blick auf seine tief sitzende Tradition aus Southern-Soul und 70er-Jahre-Songwritertum. So erinnern Tracks wie der flauschige Auftakt, „Take Care My Baby“, und das dunkel zweifelnde „Holy Moly“ an die Zärtlichkeiten Al Greens und Willie Mitchells, aber Gesang, Streicherwehen und Bläsersätze wirken eigenartig verschliert. Im schleppend gospeligen „Circle ’Round The Sun“ wischen Whites Stimmen fast demütig über die vordergründigen Klavierakkorde und klackenden Toms. Und „Feeling Good Is Good Enough“ beginnt im Weichspülgang, schwillt mit rollendem Klavier, Yayaya-Chor und Orchester ansehnlich an – aber im Mix verschwimmen Instrumente und Gesang gleichberechtigt oder werden sachte schief privilegiert.

Schließlich, bevor man’s über all der Verfeinerung vergisst, schreibt White auch noch ausgezeichnete Songs, tiefgründiger betextet, aber vor allem wesentlich komplexer komponiert, als man es ihrer melodischen Großzügigkeit anhört. Noch in den dichtesten Momenten zeichnet er seine Musik meisterlich leicht, fast körperlos und bewahrt doch die Erdtöne der Vorbilder. Musik, wie durch warm flirrende Luft gehört, voll Soul und noch mehr Seele.