Unter den aktuellen Elektropopsängerinnen besticht Marina Diamandis, die sich beim Musizieren Marina And The Diamonds nennt, durch den betont wandlungsverliebten Gebrauch ihrer Stimme. Sie kann hitzig heulen und mit kalt gepresstem Kehlkopfgesang barmen; im Kindchenfrau-Fach des romantisch-stimmlosen Hauchens erzielt sie ebenso gute Ergebnisse wie im schrillen Zickengezeter. Schon ihr Albumdebüt „The Family Jewels“ lebte vor zwei Jahren von dieser schillernden Kunstfertigkeit; auf der neuen Platte ist das nicht anders.

„Electra Heart“ ist hübsch anzuhören und hat melodisch einprägsame Momente zu bieten, etwa im Eröffnungsstück „Bubblegum Bitch“ mit seinem gut gestotterten Refrain oder in der Single „Primadonna“, an der auch der weltmusikalisch gewiefte Disco- und Dubstep-Produzent Diplo mitgearbeitet hat. Davon ist freilich – abgesehen von einem gelegentlich hinter dem Beat hinterherschleifenden Knisterbass – nichts zu hören, womit wir auch schon beim Problem der Platte sind. Denn so überaus originell und gespreizt sich Marina Diamandis in den Vordergrund singt, so blass  bleibt der musikalische Hintergrund, so vorhersehbar erscheinen die Dramaturgien, so gestrig und konventionell sind die Beats programmiert.

Schade! Umso mehr, wenn man hört, wie kunstvoll andere Elektropopsängerinnen zurzeit – man denke etwa an Grimes oder Maria Minerva – mit elektronischen Mitteln am Erscheinungsbild ihrer Stimme arbeiten und an der Verflechtung von Gesang und Musik. Hier hingegen bleibt stets eine Kluft zwischen dem stimmlichen Witz und dem witzlos daruntergelegten Achtziger-Pop. Das aber trübt letztlich auch die Strahlkraft des Gesangs: Was als besonders selbstbestimmt erscheinen möchte, wirkt bald nur noch wie ein planloser Wechsel von Posen und Erregungszuständen.