Madonna
True Blue
Der Vorgänger „Like A Virgin“ bot Madonna freien Lauf, sie forderte Sex ohne schlechtes Gewissen, („Like A Virgin“), Konsum von allem, was glitzert („Material Girl“) und natürlich Party-Exzess („Into The Groove“). Das zwei Jahre später veröffentlichte „True Blue“ zeigte die 28-Jährige nun von einer ernsteren Seite – es war quasi der Kater nach der harten Feier.
Es ist die etwas langweilige, balladeske Vorabsingle „Live To Tell“, die den Madonna-Reigen der Erinnerungen ans schwierige Elternhaus eröffnet. An der Vergangenheit arbeitet sich die Sängerin bis heute ab, vor allem an ihrem Vater, der sie streng katholisch erziehen wollte. Der Song ging in den USA ebenso auf die Eins der Billboard-Charts wie die zweite Auskopplung – mit der Madonna allerdings ihr vielleicht stärkstes Zeichen in jenem Jahrzehnt setzte: „Papa Don’t Preach“. Madonna erzählte aus der Perspektive einer schwangeren Teenagerin, die eine eigene Entscheidung treffen will: „I’m Keeping My Baby“.
Auch das Video mit Schauspieler Danny Aiello als Italienervater im Unterhemd ist ein Kommentar. Das Setting des Clips, der dramatische, weise Ton des Songs („I Need Your Help Daddy, Please Be Strong“) stand in Kontrast zur „Virgin“-Madonna im Brautkleid, deren Kruzifixe wie Juwelen um sie baumelten, und die keine echten Dialoge führen wollte.
Nicht die Romantik, nicht das Verlangen, Liebe für die Ewigkeit zu schaffen, sind die Schwächen von „Open Your Heart“ oder „La Isla Bonita“. Es ist Stephen Brays unerwartet weiche Schlager-Produktion, die auf den New Wave von „Like A Virgin“ folgte, und mit der Madonna erstmals daneben lag – „True Blue“ demonstrierte erstmals, wie sehr die Qualität von Madonnas Werken von den Leuten abhingen sollte, die ihr den Sound einrichteten. Auf jedes Hoch, etwa mit William Orbit oder Mirwais („Ray Of Light“, 1998, „Music“, 2000) würde irgendwann ein Tief folgen, wie mit Martin Solveig und „MDNA“ (2012).
„I Give You Love If You, You Turn The Key“ – die einfache Bildsprache von „Open Your Heart“ mit seiner schönen Melodie geht in der Klangbutter verloren, und bei „La Isla Bonita“ wird man das Gefühl nicht los, dass jemand wie Andy Borg es auch in der ZDF-Hitparade hätte darbieten können. Der Titelsong „True Blue“ würde, mit seiner Farbenlehre, als Rockabilly-Song gut funktionieren – es gibt ja nur eine Farbe, die wichtig ist im Rock’n’Roll, Jeans, Girls, Boys, alles blau. Gedrosseltes Tempo und Synthi-Bass machen dem Song den Garaus.
Für Madonna war das Album dennoch ein voller Erfolg. Aus der „Holiday“-Teenagerin von 1982 und der Hedonistin von 1984 ist nun eine Sängerin geworden, die nicht nur Vorbild war für junge Frauen, die Spaß haben wollten, sondern auch für junge Frauen, die vor Problemen standen. Damit würde Madonna bereit sein für die nächste Metamorphose, 1989 mit „Like A Prayer“, als sie sich endgültig von allen Geschlechterrollen befreien wollte.