Madness 

„Oui Oui, Si Si, Ja Ja, Da Da“

Lucky Seven/Indigo

Bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in London überraschte uns ein Wagen, der die ältlichen Komödianten von Madness mit „Our House“ als Ausweis britischer Gastfreundschaft und Gemütlichkeit präsentierte. The Jam, zum Beispiel, hatten es nur auf den Soundtrack zum Fest geschafft. Lee Thompson flog sogar wie in den albernsten Tagen mit seinem Saxofon über dem Amüsierkarren herum. Die dritte, ja vierte Phase in der unsteten Karriere dieser lustigen Männer wird nun um die zweite Platte binnen drei Jahren bereichert – seit „Mad Not Mad“ waren Madness nicht so hurtig, und das war 1985.“Oui Oui, Si Si, Ja Ja, Da Da“ ist die sprichwörtliche mixed bag. Mit „The Liberty Of Norton Folgate“ hat die Band ihre Songs um folk-loristische Idiome und eine gewisse Getragenheit erweitert: Empathie und soziale Relevanz waren ihnen nie fremd, wiesen früher aber kaum je über Kitchen-Sink-Dramen hinaus. Mit „Circus Freaks“, „Small World“ und „Death Of A Rude Boy“ nimmt die Ernsthaftigkeit nun beinahe bedrohliche Ausmaße an – und der immer schon seriöse Schlagzeuger Daniel Woodgate hat immerhin drei Stücke verfasst. Bei „Rude Boy“ ist sogar ein heiserer Rap in der ersten Person Singular eingebaut. „My Girl 2“ erinnert kaum an „My Girl“, ist aber ordentlicher Madness-Pop von Mike Barson, in „La Luna“ irisieren spanische Trompeten mit Streichern, „Kitchen Floor“ funktioniert als verschleppter Ska mit Gitarren von Chris Foreman, „So Alive“ ist sentimental schwofender Rummelplatz-Ska mit Orgel und Trompeten, „Misery“ schlagert in guter alter Kirmes-Tradition, „How Can I Tell You“ röhrt als aufgekratzter Zirkus-Gassenhauer. Neben diesen kunstvoll arrangierten, manchmal etwas zu laut  auftrumpfenden Songs gibt es auf „Oui Oui …“  die typischen heiter-melancholischen Pop-Pretiosen. „Leon“ jubiliert mit Mike Barsons Klavierspiel, Bläsersätzen, Streicher-Backdrop und Gitarren-Intermezzo; „Never Knew Your Name“ wäre früher der Hit gewesen; und „Powder Blue“ führt mit Graham McPhersons schönstem Gesang sanft und traurig auf das schunkelselige Finale zu: „Bed And Breakfast Man“, das jetzt „Black And Blue“ heißt, und „My Girl 2“ in der von Liam Watson produzierten Version.  Die meisten Stücke überwachten Owen Morris und Stephen Street. Vom albernen Albumtitel abgesehen, retten sich Madness ohne Klamauk und Anbiederung in die Gegenwart. In ergreifenden Songs wie „Primrose Hill“, „Prospects“, „Time For Tea“ und „Victoria Gardens“ sangen sie früher vom Untergang einer Welt, die sie zugleich bewahrten. Heute sagt Lee Thompson zur Queen: „Es ist an der Zeit, mit Würde in Rente zu gehen.“ Elizabeth dreht sich um und geht. „Nicht für Sie, Ma‘am – für uns!“