Low
The Great Destroyer
Neu und doch vertraut: Low werden lauter, bleiben aber anmutig schön
Guter Titel. Für Zerstörungswut waren Low ja bisher nicht gerade bekannt. Wenn was ruiniert wurde, dann ohne Vorsatz. „Things We Lost In The Ftre“ und so. Das ist dieses Mal tatsächlich anders. „The Great Destroyer“ macht nun kaputt, was Low berühmt machte – zumindest ein bisschen. Halbschlaue würden wohl von „Dekonstruktion“ sprechen – oder nicht weniger schlimm von „Neuerfindung“, so als ob man immer der selbe bliebe und jede Veränderung ein intendierter Akt sei.
Die Gitarren bratzen verzerrt und heulen neilyoungish, das Schlagzeug treibt fast, darüber liegen die vertrauten Low-Harmonien, die sich manchmal aber auch in Richtung Disharmonie neigen, gebettet auf Melodien, die schweben, statt sich in der Langsamkeit zu verlieren. Phänomene, die man bisher nur am Rande des Low-Oeuvres wahrnahm. Alan Sparhawk, Mimi Parker und Zak Sally haben den alten Low-Pullover an den Seiten aufgeribbelt und neu gestrickt. Er kratzt ein bisschen, ist an einigen Stellen etwas eng. Aber das trägt man heute so.
Wo es früher unter der Oberfläche brodelte und man manchmal ungeduldig mit den Füßen wippte, kommt es hier zur Eruption. Man ist ja fast erleichtert, dass dieser – wie man bisher immer dachte: aus dem Mormonentum motivierte – Stoizismus auch mal umkippt „The Great Destroyer“ hat kathartische Wirkung. „California“ und „Broadway (So Many People)“ sind gar echte Popsongs, die auch auf einem inspirierten, weniger durchproduzierten R.E.M.-Album Höhepunkte wären.
Und wie die Akustik-Ballade „When I Go Deaf“ nach zwei Minuten fünfzig plötzlich droht, laut röhrend auseinanderzubrechen, und der Ehepaargesang von Sparhawk/Parker den Song dann doch mühelos in seinen Bahnen hält. Wie das grandiose „Everybody’s Song“ laut und hymnisch das vertraute Low-Sentiment heraufbeschwört: „Breaking everybody’s heart/ Breaking everyone apart.“ Das hat Klasse.
„The Great Destroyer“ ist neu und doch vertraut – hinter jedem Riff, hinter jedem Beat steckt noch immer die graziöse Schönheit, die diese Band zu einer persönlichen Lieblingsband machte. „The Great Destroyer“ ist die Versteckung der Langsamkeit.