Lloyd Cole
Broken Record
Tapete VÖ: 10. September 2010
Da ist sie wieder, dieStimme der Selbstbezichtigung, des Zweifels, der Vergeblichkeit. „Maybe I’m not built for these times …“ „Maybe I don’t know how to live …“ Und jawohl: „Not that I had that much dignity left anyway/Nor could I feign great surprise when she finally walked away.“ So beginnt diese Platte. Aber merkwürdig: Je tiefer sich Lloyd Cole in sein Elend singt, desto kregler, ja vergnügter klingen die Songs, die Cole endlich wieder mit einer Band aufgenommen hat wie zuletzt „The Negatives“ (2000).
So richtig missvergüngt ist der alte Melancholiker ja schon lange nicht mehr. „Lloyd Cole“ (1990), „Don’t Get Weird On Me, Babe“ (1991) und „Bad Vibes“ (1993) – das war seine schwarze Phase, die ihn beinahe die Karriere gekostet hätte. Als Überlebender wurschtelt er seit Jahren herum, bringt Nebenwerke heraus, Übriggebliebenes, Beiläufiges. Und alle paar Jahre noch einmal ein Album, das an das Versprechen seines unvergesslichen Debüts „Rattlesnakes“ (1984) erinnert. Aber auch seine wie hingetupften Arbeiten, der Skizzen-Charakter von „Etc.“ und „Cleaning Out The Ashtrays“ können nicht verdecken, dass Coles Werk, das 1995 abgebrochen zu sein schien, doch noch zu einem der verschlungensten, heimlichsten und schönsten der Popmusik gewachsen ist.
Für ein paar Tage nur konnte Cole ein Studio mieten, weil er diesmal seine Wunschmusiker versammelt hatte, darunter Joan Wasser alias Joan As Police Woman. Das erinnerte an die Tage, als er mit Matthew Sweet und Robert Quine spielte und die renommierten Kollegen nicht für eine Tournee verpflichten konnte. Auch musste er diesmal seine Melodien und Texte parat haben – ein Erschwernis, das sich offenbar vorteilhaft auf die Produktion auswirkte.
„Would you still cry when I play?“ fragt Cole in „If I Were A Song“. Oh doch! Mit einer von ihm ausgesuchten Band gelingen dem Engländer im Exil von Neu-England bezwingende Melodien wie „It’s Alright“ – samt autobiografischer Glosse und kleiner Presley-Anspielung: „So now you say you want to live/ Out on Martha’s Vineyard/ You say we’ll get a little plot of land and/ Build our own damn French farmhouse/ There’s no depression in France/ They’re too busy with the romance/ And it’s a starry starry night/If Momma that’s alright.“
In der anmutigen Country-Annäherung „Westchester County Jail“ rockt Cole beinahe – in „Tried To Rock“ vor zehn Jahren hatte er noch sein Scheitern in diesem Genre konzediert. Im Chanson-beschwingten „Oh Genevieve“ hören wir gar das lange vermisste Akkordeon von Blair Cowan, als wäre wieder „Easy Pieces“, der Frauen-Chor säuselt wie in einem Siebziger-Jahre-Film der frivolen Sorte, und Mark Schwaber setzt wunderbar die Gitarren-Licks. Anstrengungslos navigiert Cole durch den idyllisch fließenden Folk von „Man Overboard“ und das sonnendurchflutete, von Bob Hofnarrs Pedal Steel getragene „Double Happiness“. Dieses Album ist von einer solchen Leichtigkeit, dass seine Magie auf Zehenspitzen daherkommt. Man denkt an die seltsam verdrehten Geschichten von „Speedboat“, „Forest Fire“ und „2CV“, die Belmondo-Seberg-nichts-zu-verlieren-Atmosphäre.
Keine Musik macht so glücklich wie die Rückversicherung durch einen alten Meister. Auch wenn er ein ewig nörgelnder und mutloser Schlingel ist wie Lloyd Cole.