Lankum
„False Lankum“ – Gespenstisch gut
Rough Trade (VÖ: 24.3.)
Vom Geist der Donnergötter ergriffener Folk
Die traurigsten und schrecklichsten Geschichten finden sich in alten Folksongs. Die vom Mädchen, das von einem „Railroad Boy“ (in älteren Versionen war es ein „Butcher Boy“) verlassen wird und deshalb Selbstmord begeht, wurde schon oft erzählt, unter anderem von Joan Baez und Bob Dylan. Doch was die Dubliner Band Lankum aus der alten Weise herausholt, ist spektakulär. „Go Dig My Grave“ heißt der epische, fast neun Minuten lange Song hier, nach einer Schlüsselzeile aus dem Text. Von Anfang an umgibt eine ungeheuer düstere Stimmung den rauen Gesang von Radie Peat, doch in der zweiten Hälfte geht buchstäblich die Welt unter, sie wird begraben unter einem apokalyptisch finsteren Drone, der an Bands wie Godspeed You! Black Emperor oder Swans erinnert.
„False Lankum“ ist ein von der bitteren Schönheit des Schmerzes getriebenes Album
Das folgende, sehr ruhige „Clear Away In The Morning“ ist nötig, um wieder Luft zu holen. Zu warmen Gitarrenakkorden ist eine männliche Stimme zu hören – alle vier Bandmitglieder singen –, doch auch hier entwickelt sich die Musik, sie steigt immer höher, wird immer weiter und gespenstischer. Lankum sind eine echte Folkband, versiert in der Tradition, aber offen für alles, was den Kern oder die Botschaft eines Songs herauskitzelt. „Master Crowley’s“ zum Beispiel ist ein alter irischer Reel, von dem es über hundert Versionen gibt. Lankum ergänzen das fröhliche Gefiedel um eine – nennen wir es „Traumsequenz“, die wirkt, als wäre plötzlich der Tod unter die vergnügt hüpfenden Tänzer getreten. Wie in Zeitlupe torkelt die Musik, düster-schwere Mollakkorde übernehmen, erst ganz am Ende kehrt die heitere Melodie zurück.
Das zärtliche „Newcastle“ ist ein altes Tanzstück aus dem 17. Jahrhundert, der romantische Text kam erst viele Jahre später dazu. Lankum interpretieren den Song betont klassisch, mit sacht gezupfter Gitarre und Radie Peats klarem Gesang, so wie vor ihnen Shirley Collins. „False Lankum“ ist ein von der bitteren Schönheit des Schmerzes getriebenes Album, das die Grenzen des Folk-Genres weit überschreitet. Was in dieser Hinsicht für Pentangle der Jazz war, ist für Lankum der Post-Rock.