Kula Shaker
K
Columbia/Sony
Wer “Retro“ für eine Injurie halt, darf die nächsten vierzig Zeilen überspringen und in dem Wahn verharren, es könne gegen Ende der 90erJahre noch Musik geben, die nicht retro ist auf die eine oder andere Weise. Wir anderen widmen uns in aller Kürze der Frage: Wieviel retro ist angenehm, angemessen, zumutbar? Die Zeitblase, in der Kula Shaker unterwegs sind, ist eng, laut, schrill und durchwabert von Weihrauch und jenem fauligen, süßlichen Verwesungsgeruch, wie ihn nur Darmwinde erzeugen nach heftigen spirituellen Blähungen. Wer nach 1968 will, wird seinen Spaß haben. Noch. Denn: Quo vadis, Kula Shaker? 1969 offeriert dem Trippy am Scheideweg nur zwei Optionen, die gleichermaßen Angst machen: den stairway to heaven, pompös und heavy, oder den progressiven Korridor zum Crimson King, pompös und preziös.
Ocean Colour Scene, das Bindeglied zwischen Paul Weller und Oasis, haben da schon vielfältigere Möglichkeiten. Sie könnten die Blues-Rock-Schiene fahren, den beatleesken Pop pflegen, den stonesigen Riff-Raunch runterbeten oder sich in milde psychedelischen Grooves verlieren. Ist alles bereits angelegt in „Moseley Shoals“. Sie könnten es durchaus noch weit bringen, solange Weller sie braucht und sie Noels Kreise nicht stören.
The Bluetones sind fein heraus. Ihr Rickenbacker-Klassizismus ist sich selbst genug, benötigt zum Überleben weder Aktualisierung noch geschmäcklerische Kompromisse, nicht, solange die Songs diese Kraft haben, diese Klasse. Auch die Bluetones sind Gefangene einer Zeitblase, doch ist sie riesig, schier grenzenlos, weil nicht Sound-abhängig, nicht Image-gebunden. Der Album-Titel macht Sinn: „Expecting To Fly“.