Kritik: „Konklave“ – Gottes schnaufende Diener
Das Kammerspiel zerstört eine der mächtigsten Institutionen der Welt nicht, aber entzaubert sie in großartigen Bildern.
Nach seinem Oscar für den „Besten Internationalen Film“ mit der Neuverfilmung „Im Westen nichts Neues“ (2022) wagt sich der österreichisch-schweizerische Regisseur Edward Berger mit „Konklave“ erneut an ein ambitioniertes Projekt mit einem prominenten Cast und relevanten Thema. Darin blicken wir tief in die versteckten Ecken und hintersten Zimmer des kleinsten Staates der Welt: dem Vatikan.
Der Film dreht sich um die Wahl des nächsten Papstes und beleuchtet die egoistischen Absichten und schmutzigen Machtkämpfe der Kardinäle, die sich um den Heiligen Stuhl bewerben. All das erleben die Zuschauer:innen aus der Perspektive vom Dekan des Kardinalskollegiums und Leiter der Konklave, Kardinal Thomas Lawrence (Ralph Fiennes), der selbst kein Interesse für das Amt hegt.
Berger präsentiert dem Publikum eine über Jahrhunderte gewachsene Parallelwelt, deren Rituale, Kleiderordnungen und Abstimmungsverfahren in starkem Gegensatz zu unserer modernen, digitalisierten Gesellschaft stehen. Schon früh vermittelt der Film diesen Anachronismus – durch unbewegte, kontrastreiche Bilder, in denen die Kardinäle (E-)Zigaretten rauchen oder geistesabwesend ihre Smartphones benutzen. Auch die Einstellungen traditioneller Wahlabläufe in der durch Kulissen nachgestellten Sixtinischen Kapelle und von Beratungsgesprächen der Kardinäle in den Vatikanischen Höfen tragen zu diesem Gesamteindruck bei.
Ein subtiler Aspekt liegt im fortschreitenden Alter der (fast ausschließlich) männlichen Protagonisten wie Lawrence, das durch Nahaufnahmen seiner altersbefleckten Stirn oder sein angestrengtes Schnaufen beim Arbeiten deutlich wird. So bewegt sich die Inszenierung immer wieder zwischen der Präsentation eines rückständigen patriarchalen Konstrukts und deren ergrauenden Individuen, die sich gleichzeitig der Welt außerhalb ihrer aus Mauern und Säulen bestehenden Blase nicht entziehen können.
Stilechte Machtspielchen im Schatten
Vor allem Veränderung ist eines der zentralen Narrative des von Robert Harris’ Roman adaptierten Drehbuchs. Einige der 108 Kardinäle wie Lawrence oder dessen Hoffnung für den Papst-Posten Aldo Bellini (Stanley Tucci) zeigen sich offen für Reformen in der Kirche, während reaktionäre Kräfte – verkörpert durch den rassistischen Kardinal Tedesco (Sergio Castellitto) – gegen solche Bestrebungen ankämpfen.
Diese Interessenskonflikte und die daraus erwachsenden Intrigen sollte laut Regisseur Berger gegenüber „Cinema Daily US“ eine Politthriller-Atmosphäre im Stile Alan J. Pakulas erzeugen. In einem ironischen Meta-Moment erwähnen das die progressiv denkenden Charaktere sogar selbst.
Die große Abrechnung bleibt aus
Trotz seiner starken Inszenierung und der Ergründung von Machtstrukturen ist „Konklave“ aber nicht die kritische Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche, wie es vielleicht zunächst den Anschein hat. Zwar klingt in zwei handlungsbestimmenden Monologen beziehungsweise Predigten an, dass der Vatikan trotz seines gottgegebenen Machtanspruchs den Kontakt zu den einfachen Gläubigen nicht verlieren darf und auch deren Vertreter nur fehleranfällige Menschen sind. Doch sind diese Schlüsselszenen eher behutsames Hinterfragen als wirklich beißendes Missbilligen.
Insgesamt dekonstruiert der Film (wie seine Buchvorlage) die Institution nicht, sondern macht sie, wie schon „Die zwei Päpste“ (2019), zu einem Unterhaltungsobjekt. Dementsprechend handelt er zwei ihrer ewig währenden Probleme – systematischer Kindesmissbrauch und die Bevormundung von Nonnen – nur in ein paar Nebensätzen ab oder lockert sie in Form eines nonchalanten Knickses von Isabella Rosselinis Figur Schwester Agnes auf. Auch Berger stellte klar: „Es ist keine Zerlegung der katholischen Kirche.“ Und ja, tatsächlich spürt man das sofort nach dem utopischen Feel-Good-Ende.
Dennoch bleibt „Konklave“ definitiv mehr in Erinnerung als die fast identisch heißende deutsche Produktion von Christoph Schrewe aus dem Jahr 2006. Wer also wenig Berührungspunkte mit der Papstwahl hat und sie gerne als spannungsgeladenes Kammerspiel genießen möchte, das mit zahlreichen Money Shots gespickt ist, macht mit einem Kinobesuch nichts falsch.