Kritik: John Carpenters „Das unsichtbare Auge“

Das Ende bietet pure „Fenster zum Hof“-Dramaturgie.

Solange ein Stalker nicht handgreiflich wird, kann die Polizei nichts tun – dieses wohl für alle Zeiten akut bleibende Problem diente John Carpenter 1978 als Grundlage für seinen Thriller um eine TV-Regisseurin (Lauren Hutton), die nach ihrem Umzug in ein Hochhaus von einem fremden Mann bedroht wird, der sie mit Anrufen terrorisiert und Drohbriefe schickt, nichtsahnend, dass er sie vom gegenüberliegenden Wolkenkratzer per Teleskop beobachtet.

Nach seinem leider mäßig rezipierten Straßengewalt-Kinofilm „Anschlag der Nacht“ war John Carpenter schon mit 28 Jahren angezählt. Deshalb nahm er, noch vor seinem unabsehbaren Welthit „Halloween“, im selben Jahr die Regie für diese NBC-Fernsehproduktion an, die wie eine „Halloween“-Vorarbeit anmutet. Im Fokus auch hier die von einem Unbekannten bedrohte, aber tatkräftige junge Frau; dazu das Spiel mit der Agoraphobie, die sich in „Halloween“ auf breiten Vorstadtalleen, hier auf verlassenen Parkplätzen unter riesigen Wohnblöcken entwickelt.

Carpenters letzter Film ohne Monster

„Das unsichtbare Auge“ würde, abgesehen vom Biopic „Elvis“ (1979), auch Carpenters letzter Film ohne Monster oder übernatürliche Kräfte sein. Fast ein wenig schade, dass er hier noch nicht mit seinem Kameramann Dean Cundey zusammenarbeitete, der für „Halloween“ die Täterperspektive perfektionierte, und den Soundtrack nicht selbst übernahm, sondern Harry Sukman („Die singende Nonne“) beauftragte. Carpenters elektronisch pulsierende Klänge anstelle Sukmans altmodischer Matinee-Streicher hätten dem Horror eine andere Dynamik verliehen.

Das Ende bietet pure „Fenster zum Hof“-Dramaturgie. So wurde Carpenter zumindest als Fernsehregisseur kurzzeitig zu jemandem, den er liebte, der er aber nie sein wollte: Hitchcock war sein Vorbild, aber Carpenter versuchte noch einen eigenen visuellen Stil zu finden. Er musste nicht lange üben. Nach diesem für ihn entscheidenden Filmjahr wurde er selbst zum Vorbild. (Plaion Pictures)

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