Kristof Schreuf :: „Bourgeois With Guitar“
In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts war „My Generation“ von The Who eine beliebte Kampfansage der Jungen gegen die Alten: „Why don’t you all fade away/ Don’t try to dig what we all say.“ Der Sänger und Gitarrist Kristof Schreuf singt diesen aufrührerischen Text jetzt zur getragenen Melodie des Lagerfeuer-Klassikers „Scarborough Fair“ – a cappella und ausgesprochen melancholisch. Denn die Rebellion von einst ist heute nur noch eine sentimentale Erinnerung.
Der 47-jährige Schreuf ist eine Legende des Hamburger Diskurs-Pop-Untergrunds: Er war der Kopf von Kollosale Jugend, spielte bei Brüllen und wurde bekannt als Blumfeld-Stichwortgeber: „Anders als glücklich/ Hat Kristof Schreuf gesagt.“ Für sein zusammen mit Tobias Levin entstandenes Solo-Debüt hat sich der Hamburger viel Zeit gelassen.
„Bourgeois With Guitar“ folgt dem in letzter Zeit viel diskutierten Prinzip der Intertextualität und spielt auch süffisant mit den Grenzen des Copyrights. Der von wuchtigen Bläsersätzen nach vorn getriebene Titelsong ist dabei eine Ausnahme, einer von insgesamt drei „echten“ eigenen Songs. Bei den restlichen neun Stücken hat Schreuf „Texte umgetopft“, die er sich von einem guten Dutzend Pop-, Rock- und Disco-Stücken geborgt hat und die anschließend mit eigenen Melodien versehen wurden. Das klingt zunächst vielleicht etwas sehr theoretisch, geht aber so süffig in die Ohren, dass es eine helle Freude ist. Schreufs überwiegend englischer Gesang ist berührend, ja geradezu authentisch und die genial minimalistischen Arrangements stecken voller faszinierender Details. „Last Night A DJ Saved My Life“ etwa verwandelt sich durch Elemente aus „Blank Generation“, „Don’t Let Me Be Misunderstood“ und „Do Ya Think I’m Sexy“ in ein postmodernes Mash-up-Kunstwerk. Ganz intim und leise klingt das, fast spirituell. Hier tanzen Theorie und Praxis eng ineinander verschlungen – die großartige Rückkehr eines fast vergessenen Helden. (Buback/Indigo)
Jürgen Ziemer