Kim Gordon
„The Collective“ – Abenteuerlich
Matador/Beggars (VÖ: 8.3.)
Mit einer Sonic-Youth-Ikone ins Electro-Wunderland
Kim Gordon ist immer auf der Durchreise und spielt Ich packe meinen Koffer: Rollkragenpullover, Ohrstöpsel und Conditioner kommen da rein, Vibrator und Taser auch. „BYE BYE“ heißt der Song dazu, der „The Collective“ eröffnet, das Spoken-Words-Poetry-Protokoll eines Aufbruchs, das von einem sperrigen Electro-Beat und einem sich aufplusternden Synthiebass begleitet wird. Die elf Song auf dem Album sind voller solcher verstöre der Sounds, voller Dissonanzen, voller Sprünge und Aussetzer.
Wie Alice irrt Gordon durch ein Acid-Wunderland voller labyrinthisch dröhnender Klangruinen
Mit Justin Raisen (Charli XCX, Sky Ferreira) versucht Gordon noch abenteuerlustigere Musik zu produzieren als die, die sie bis 2011 mit Sonic Youth gemacht hat, Musik, die sich zwar experimentell gibt und fast ohne Melodien auskommt, aber trotzdem etwas zugänglicher ist als der Drone-Rock, den sie mit Bill Nace als Body/Head veröffentlicht. Elektronische Sounds, Samples und Trap Beats bilden das Rückgrat von „The Collective“, auch wenn sich immer wieder mal an Kim Gordons alte Band erinnernde Feedback-Gitarren und grummelnde Basslinien einmischen.
Die Lyrics der Frau, die als inzwischen 70-Jährige erst recht als Role-Model des Alternative Rock gelten darf, schlängeln sich als zerhackter, zerfetzter Bewusstseinsstrom, als Beat-Poetry-2.0-Fragmente durch psychedelische Industrial-Grooves, die nach Albträumen und schlechten Drogentrips klingen. Wie Alice irrt Gordon durch ein Acid-Wunderland voller labyrinthisch dröhnender Klangruinen, zum Beispiel im Song „The Candy House“, in dem sie zwischen zersplitterndem Glas und einem unerhört dumpfen Soundteppich den Ausgang sucht, im gegen einen fies-verzerrten Bassbeat ankämpfenden „I Don’t Miss My Mind“ oder in „Dream Dollar“, das als Electro-Punk mit Stakkato-Bass und Hi-Hat-Gezische losgeht. Und dann gibt es da mit „I’m A Man“ auch noch ein knurriges Stück, das nach einem schrillen Abgesang auf toxische Männlichkeit klingt, wenn Kim Gordon den Cowboy-Fantasien von Typen nachspürt, die den Bedeutungsverlust von Maskulinität betrauern: „I won the war but I lost my way.“