Kendrick Lamar
GNX – Ein Meisterwerk als Überraschungsei
Es geht nicht zimperlich zu auf dem nach dem Mittelklasse-PKW Buick Grand National GNX benannten Album. Team Lamar forever
Am frühen Morgen des 22. November war es plötzlich da, dieses HipHop-Überraschungsei – selbst die deutsche Filiale der Plattenfirma zeigte sich überrascht. Dass man bei einem neuen Album des amtierenden Rap-Weltmeisters Kendrick Lamar sofort reinhört, ist eh klar. Die kraftstrotzende Baseline von „Wacced Out Murals“ zwingt sogar dazu, sofort lauter zu drehen. „Yesterday, somebody whacked out my mural“, schimpft Lamar, dessen XL-Wandbild in L.A. kürzlich tatsächlich übersprayt wurde. Der alte Streit mit dem Kollegen Drake. Es findet sich ja immer ein junger Wirrkopf, der unbedingt Partei ergreifen möchte. Lamar empfiehlt solchen Hatern, am besten gleich nach Europa zu flüchten, denn: „I’ll kill ’em all before I let ’em kill my joy.“
Ja, es geht nicht zimperlich zu auf dem nach dem Mittelklasse-PKW Buick Grand National GNX benannten Album. Der staubtrockene, überaus selbstbewusste Sound von „GNX“ erinnert oft an kalifornische Klassiker der Achtziger, LL Cool J oder Arabian Prince („Hey Now“). Der Bass pocht wie ein vergiftetes Herz, die Stimme und unkonventionelle Vortrag bleiben einzigartig und sofort wiedererkennbar.
Kendrick Lamar – „Squabble Up“:
Man staunt, dass an fast allen Stücken Jack Antonoff beteiligt war. Ausgerechnet der Mann hinter Taylor Swift und Lana del Rey sorgt für enorm reduzierte und auf den Punkt produzierte Tracks, die mitunter so hart ins Sonnengeflecht treffen wie eine mit Siegelringen bestückte Faust. Dennoch gibt es etliche spirituelle, von R&B inspirierte Tracks wie „Luther“, an dem auch Jazz-Star Kamasi Washington mitgearbeitet hat. Noch sanfter kommt „Man At Garden“ daher, mit himmlisch summendem Chor und zarten Piano-Akkorden.
Doch der Hit ist eindeutig das um ein Debbie-Deb-Sample herum gebaute „Squabble Up“. Da spritzt saftigster Eighties-Electro-Funk aus allen Ecken, während Lamars Rap eine virtuose Pirouette nach der anderen dreht: „Woke up lookin’ for the broccoli, high-key, keep a horn on me, that Kamasi IP.“ Team Lamar forever. (Universal)