Er wollte einfach weitermachen. So lange es irgendwie ging. Also hatte er sich – kaum war „The Man Comes Around“ im Kasten – immer wieder vor dieses Mikrofon gesetzt, obwohl er doch spätestens nach dem Tod von June geahnt haben musste, dass er die Veröffentlichung der Songs auf „A Hundred Highways“ wohl nicht mehr erleben würde.

Den Humor hatte Johnny Cash darüber immer noch nicht verloren, was man auch dem letzten selbstgeschriebenen Song deutlich anmerkt. In „Like The 309“ singt er: „It should be awhile, before I see Doctor Death, so it would sure be nice if I could get my breath.“ Nein, den ganz großen Atem konnte der auch von Asthma Geplagte gewiss nicht mehr haben. Doch wenn es stimmt, dass Johnny Cash zu den größten aller technisch limitierten Sänger gehört, dann war „A Hundred Highways“ allemal ein würdiger (vorläufiger) Epilog dieser großen Karriere.

Anders als bei sämtlichen „American“-Vorgängern gibt es hier nicht mehr den Versuch, Cash mit modernerem Material zu konfrontieren. Der aktuellste Song ist Springsteens „Further On Up The Road“ (von „The Rising“), das Cash in einer zarten Folkvariante wundervoll ausbremst und das inhaltlich absolut sitzt: „Got on my dead man’s suit and my smilin‘ skull ring, my lucky graveyard boots and song to sing…“ Andere Stücke erfahren durch diesen unerschrockenen Interpreten der letzten Tage auch eine Umdeutung, allen voran Gordon Lightfoots doch eigentlich nur romantisch besetztes „If You Could Read My Mind“ – zugleich der einzige Song, den man wirklich kaum hören mag, weil Cashs Mühe und Hinfälligkeit hier so unglaublich nahe gehen.

Die Todeszug-Metapher von „Like The 309“ nimmt er später noch einmal mit einem Song von Hank Williams auf. „It’s hard to know she’s gone forever, they’re carrying her home on the evening train…“ Auch ein letztes Liebeslied für June („Rose Of My Heart“) muss sein, eine letzte Zwiesprache mit Gott („Help Me“). Doch klingt hier letzlich alles nach Dankbarkeit und Erlösung, gipfelnd in der finalen Erkenntnis „I’m Free From The Chain Gang Now“.

Rick Rubin stand hier nach seinem Tod vor der vielleicht schwierigsten Aufgabe in seiner Zusammenarbeit mit Johnny Cash – doch ist ihm das posthume Nachbearbeitungsarrangement sehr gelungen. Es gibt nur Gitarren (auch von bisher nicht zum Camp zählenden Kräften wie Matt Sweeney, Jonny Polonsky und Pat McLaughlin) und dezente Keyboards, die wieder Benmont Tench spielt. Und damit genau die Art der Instrumentierung, die diese Stimme noch verkraften kann.

Nachdem schon „The Man Comes Around“-bef[ügelt vom „Hurt“-Crossover – an der Top 20 der US-Charts gekratzt hatte, ist „A Hundred Highways“ das erste Nummer-eins-Album für Johnny Cash seit dem Live-Mitschnitt aus San Quentin von 1969.

Höhepunkt: „If You Could Read My Mind“ Erfolg: Platz 1 in den „Billboard 200“-Charts