John Mellencamp, Stephen King und T-Bone Burnett
Ghost Brothers Of Darkland County
Universal
Eine der beiden Leidenschaften von Stephen King ist seit seiner Jugend das Gitarrenspiel. In den 80er-Jahren nahm er an den abenteuerlichen Wochenend-Sessions der Rock Bottom Remainders teil, einem lockeren und trinkfreudigen Verbund von Autoren, zu dem auch Warren Zevon gehörte. Den Alkohol und das Kokain musste King aufgeben, Zevon ist tot, und doch ist der Traum des Schriftstellers jetzt wahr geworden: Er hat eine Platte aufgenommen. Einen „Southern Gothic Supernatural Musical Thriller“. King schrieb das Libretto zu „Ghost Brothers Of Darkland County“.
Die Songs stammen von John Mellencamp, dem großen Unruhestifter der amerikanischen Rockmusik: Kämpfer für die Farmer, aufrechter Demokrat, Wüter gegen die modernen Zeiten. Mellencamp hatte sein letztes Album, das sich aus der amerikanischen Folklore speiste, mit T Bone Burnett aufgenommen, dem meistbeschäftigten Produzenten für Americana: Er richtete Alben für Elvis Costello ebenso ein wie für B. B. King und Lisa Marie Presley, und meistens erkennt man schon an den ersten Tönen eine Burnett-Qualitätsarbeit mit Gütesiegel. Damit alles noch besser und authentischer klingt, hatte er mit Mellencamp das CODE-System erfunden, dessen Segnungen sie allerdings bisher ausschließlich untereinander teilten.
Man darf bei „Brothers“ von einer Liebesarbeit sprechen: Vor 13 Jahren erkundigte sich Mellencamp, ob King das Libretto für ein Musical schreiben würde. Da gab es schon die Handlung um zwei Brüder, die sich gegenseitig umbrachten, weil sie einem Mädchen verfallen waren. Nach 40 Jahren kehrt ihr jüngerer Bruder in die Todeshütte zurück – und dessen Söhnen droht nun dasselbe Schicksal, weshalb die Gespenster der Onkel auf die Erde zurückkommen.
Es ist also King-Land: Geister, Spuk, Sinnliches und Übersinnliches. Mellencamp verlegte einen tatsächlichen Brüder-Mord von seiner Heimat Indiana nach Mississippi, damit es Southern Gothic ist. Sodann verpflichtete er Burnett und gewann Freunde und Klienten für das Singspiel: Elvis Costello, Kris Kristofferson, Sheryl Crow, Rosanne Cash, Neko Case, Taj Mahal und zwei veritable Brüder, Phil und Dave Alvin. Die Schauergeschichte erinnert in ihrem statischen Aufbau an Randy Newmans Musical „Faust“ und ist wahrscheinlich ebenso unspielbar. Doch ohne die Zwischentexte (Kings Prosa wird es auch als E-Book geben) ist „Ghost Brothers“ eine fabelhafte Song-Sammlung – wir schrecken nicht vor der Behauptung zurück: Nie hat Mellencamp bessere Songs geschrieben. Costello schleicht mit verstellter Stimme als Teufel umher, Taj Mahal raspelt roh den Blues, Crow und Cash maunzen neben den rostigen Alvins, und Kris Kristofferson knödelt. Mellencamps Lieder changieren unangestrengt zwischen Folk und Blues, Hillbilly und Bluegrass, sie klingen, jawohl: als wären sie immer schon da gewesen. John Mellencamp selbst singt hier nur das Finale: „Truth“. Ghost brother, where art thou?