John Cale

„Paris 1919“

Domino (VÖ: 15.11.)

Zwei Meisterwerke in neuem Mastering.

John Cale hat einen bemerkenswert sachlichen Blick auf Wiederauflagen: Wenn man 60 Jahre Musik mache, seien sie unvermeidlich. Man müsse es aber richtig machen – nämlich das hervorheben, was die Werke besonders gemacht hat. Für die Präsentation, hat Cale überlegt, sei das neue Mastering entscheidend. Und beim Wiederhören habe er sich an die Sessions, ja die „Possen“ erinnert. Und manchmal habe er gelacht bei den Reminiszenzen.

Wie immer bei John Cale ist nichts von all dem prätentiös oder angestrengt

„Paris 1919“ und „The Academy In Peril“ (4,5 Sterne) sind sehr besonders – die eine Platte (von 1973) ist sein romantisches Meisterstück, die andere (von 1972) enthält Klavier- und Orchestermusik mit Titeln wie „Brahms“, „Faust“ und „John Milton“ und das wie von ferne gesprochene „Legs Larry At Television Centre“. Wie immer bei John Cale ist nichts von all dem prätentiös oder angestrengt. „Paris 1919“ evoziert mit „Child’s Christmas In Wales“, „Half Past France“, „Hanky Panky Nohow“ und „Antarctica Starts Here“ weniger das Paris des Ersten Weltkriegs als eine Proustsche Boudoir-Behaglichkeit, die von der Cover-Gestaltung unterstrichen wird. Es war die Zeit, bevor die amerikanischen Künstler und Schriftsteller nach Frankreich kamen, vor der Lost Generation also, der Gertrude Stein voranging.

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„Paris 1919“ setzte sein Solo-Debüt, „Vintage Violence“ von 1970, fort. John Cale hat noch einiges von den Aufnahmen vor mehr als 50 Jahren gefunden: einen „Guitar Mix“ von „Hanky Panky Nohow“, den Mitschnitt der ersten Probe von „Child’s Christmas In Wales“ – und „Fever Dream 2024: You’re A Ghost“ (der berühmteste Ausdruck des Albums) hat er sogar neu aufgenommen, ein neun Minuten langes Stück. An „I Must Not Sniff Cocaine“ hat er sich dann doch nicht gehalten. „The Academy In Peril“ wurde am Ende um ein Stück, „Temper“, ergänzt, ist in der Gestalt aber gleich geblieben. Zwei große Werke nicht der Rockmusik, sondern der Moderne schlechthin.