Joachim Lottmann :: Endlich Kokain
Sein Weblog ist mal nie abreißender Bewusstseinsstrom, mal eine nur dahinplätschernde Suada. Und manchmal wirft der Schwadroneur Joachim Lottmann ein Buch ans analoge Land – eine Standortbestimmung der ichbezogenen Gegenwart. Dann entwirft der betagte Popliterat und Übertreibungskünstler, Jahrgang 1956, eine Szenerie, die von der Wirklichkeit vermutlich nur eine Drehung der Schraube entfernt ist: „Nirgends wird so viel gekokst und gefickt wie in der Kunstszene“, heißt es im neuen Roman „Endlich Kokain“, in dem sich ein ausgebrannter ORF-Redakteur, ein unansehnlicher, vom Tode bedrohter Fettsack, zu einer Koks-Diät hinreißen lässt. Und sie funktioniert, macht sogar Spaß, kein folgenschwerer Absturz nach der Hybris, den man aus so vielen Drogenromanen kennt. Der Journalist schnupft sich durch die Wiener und Berliner Parallelgesellschaft, die bevölkert ist von Gestalten wie Helene Hegemann, Boris Becker und Veronika Ferres. Der allwissende Lottmann und Tagebuchaufzeichnungen sorgen dafür, dass der groteske, bitterböse (Beobachtungs-)Trip lange anhält. (Kiepenheuer & Witsch, 9,99 Euro)