Jethro Tull
„Bursting Out (The Inflated Edition)“
Warner/Parlophone (VÖ: 21.6.)
Das Live-Album von 1978 mit einem Steven-Wilson-Mix.
Als Jethro Tull „Bursting Out“ aufnahmen, befand sich der Progressive Rock auf dem absteigenden Ast. 1978 hatte Punk seinen Siegeszug angetreten, schnell galten die großen Prog-Bands als musikalische Dinosaurier. Auch Jethro Tull litten darunter, obwohl sie schon immer ein bisschen anders tickten als die restlichen Vertreter des Genres. Das hatte die Band ihrem exzentrischen Frontmann Ian Anderson zu verdanken, der stets auf verqueren Pfaden wandelte. So verschlug es ihn zur akustischen Musik in einer Zeit, als es allen anderen nicht laut genug sein konnte.
Der Live-Mitschnitt „Bursting Out“ stammt aus der Folk-Phase von Jethro Tull, und man hört – Überraschung! – nicht viel Akustisches. Die Briten spielen präzise, mächtig, laut. Martin Barres Gitarre pflügt durch die idyllischen Arrangements. Für die „Inflated Edition“ polierte Steven Wilson den Klang auf, er sorgte für mehr Gleichberechtigung. In seinem neuen Mix tauchen verborgene Melodien auf, als würde man in einem Wald aus verzerrten Gitarren auf bislang unentdeckte Lichtungen stoßen: Orgel, Akkordeon und Glockenspiel werden hörbarer.
Ein Meister der Theatralik
Im Zentrum von alldem steht Ian Anderson. Er singt druckvoll und abwechslungsreich, und er grunzt und schnauft, wenn er auf der Querflöte soliert. Er gibt sich verschroben folkloristisch, beim Reden rollt er das r, als käme er gerade von einer schottischen Weide. Großen Spaß macht ein TV-Mitschnitt von derselben Tour, der auf DVD beiliegt. Darin sieht man Anderson wie ein Eichhörnchen über die Bühne flitzen, er reißt die Augen auf, als ob ihn seine bemerkenswert enge Stoffhose zwickt, er reckt die Querflöte wie einen Stock in die Luft und spielt Luftgitarre auf ihr. Ein Meister der Theatralik.
Nicht lange nach „Bursting Out“ verrannten sich Jethro Tull im Dickicht des Tour-Stresses, das Live-Album wirkt wie ein Abschluss ihrer prägendsten Jahre. Nicht nur deswegen ist es essenziell, sondern auch weil es beweist, wie kraftvoll Jethro Tull einst den Wald rocken konnten.