Von Modesto, Kalifornien nach Bozeman, Montana. Nahe Berge statt nahe Strände. Brutale Winter statt brutale Sonnengarantie. Nach fast 15 Jahren und fünf Alben, nach der Erkenntnis vor allem, dass Grandaddy auch nach „The Sophtware Slump“ (2000) nie mehr wurden als the next big thing, sucht Jason Lytle den Solo-Neuanfang in fremder Pampa.

Doch man nimmt sich selbst ja immer mit, wenn man geht. Gewiss, es gibt euphorische Zwischenhochs, wenn da plötzlich eine „Brand New Sun“ am Himmel zwischen den Bergen zu stehen scheint, während „It’s The Weekend“ so munter daherrotzt, als wäre es die Auftragsarbeit eines College-Senders, der nach einer neuen Freitagnachmittaghymne fahndet. Dazu findet in „I Am Lost (And The Moment Cannot Last)“ oder „Birds Encouraged Him“ tröstliche Einsichten.

Zumal über der zweiten Hälfte des Albums aber hängen dann doch die tief ziehenden Wolken jeden Abschieds, und sei er noch so zwingend und fürs Erste befreiend. Da bittet Lytle in „This Song Is The Mute Button“ zum traurigen Piano-Waltz, sieht alte Gefährten durch Canyons fliegen, und Titel wie „Rollin‘ Home Alone“ und „You’re Too Gone“ sind selbsterklärend. Erst am Schluss nimmt er in „Here For Good“, den Faden wieder auf, den anfangs der Titelsong ausgelegt hatte. „I may be limping, but I’m coming home“, hatte Lytle da fast ein bisschen ungläubig gesungen. Humpelnd heimwärts?

Man kann sich gut vorstellen, wie Jason Lytle da eingeschneit in Montana die ersten Akkorde gezupft, geschlagen und geklimpert hat, bis die Songs im Kern funktionierten. Doch es bleibt diese zweite, mal dezent, mal vorlaut aufgetragene Pop-Electro-Schicht, die auch wieder den Reiz von „Yours Truly, The Commuter“ ausmacht. Die Synth-Fanfaren, die Streicher aus der Dose, das Geblubber und Gezirpe. So ist das erste Solowerk von Jason Lytle weniger Neuanfang denn Rückbesinnung eines Studio-Einsiedlers, der immer noch ziemlich LoFi klingt- auch wenn sein Equipment jetzt schon besser ist als damals vor 15 Jahren im Schlafzimmer.(Anti/SPV)

Jörg Feyer