Interstellar :: Regie: Christopher Nolan
"Interstellar" begeistert mit unvergesslichen Bildern - und überrascht durch eine Überdosis Sentimentalität
Die Menschheit steht vor dem Abgrund einer Klimakatastrophe: Seit geraumer Zeit wollen Weizen und Mais nicht mehr wachsen und Sandstürme bleiben eine immerwährende Bedrohung. Die NASA schickt deshalb ein Forscherteam in eine andere Galaxis, um einen neuen Planeten zu finden. Unter der Leitung von Raumpilot Cooper (Matthew McConaughey) und Wissenschaftlerin Amelia Brand (Anne Hathaway) bleiben nur zwei Möglichkeiten: Die inzwischen auf 6 Milliarden reduzierte Weltbevölkerung wird nachgeholt, um sie dort anzusiedeln – oder mit eigens zuvor eingefrorenen und befruchteten Eizellen wird eine neue Kolonie gegründet.
Aus dieser simplen narrativen Ausgangssituation hat Christopher Nolan einen spannenden Sci-Fi-Reißer gemacht, der mit all dem glänzt, was seine moralischen Vexierspiele bisher ausmachte (bombastische IMAX-Bilder mit handgemachten Effekten, brillant inszenierte Action-Sequenzen und ein tückisches Spiel mit Raum- und Zeitebene), aber den üblichen Schwächen seiner Filme (zweidimensionale Charaktere, bisweilen unlogische Plotstrukturen und verworrene ethische Fragestellungen) noch eine Überdosis Sentimentalität hinzuführt.
Natürlich konnte der erklärte Kubrick-Fan Christopher Nolan nicht darauf verzichten, „2001 – Odyssee im Weltraum“ mit mehreren Details (u.a. mischte Hans Zimmer, diesmal mit einem geradezu zurückhaltenden Score, mehrmals die ausklingenden Orgeltöne aus dem Strauss-Stück „Also Sprach Zarathustra“ unter) seine Reverenz zu erweisen. Doch aus irgendeinem Grund will der Engländer nicht auf seine überwältigenden Bilder vertrauen. Jede Handlung muss erklärt sein – und so bemüht die Wissenschaftlerin Brand für die Existenz eines plötzlich aufgetauchten Wurmloches, das erst den abgekürzten Sprung in eine andere Galaxis ermöglicht, allen Ernstes als Erklärungsmodell fünfdimensionale Wesen und die kosmische Liebe.
In diesem Jahr wird man keine kraftvolleren Bilder auf der Leinwand sehen als in „Interstellar“. Alfonso Cuaron hatte mit dem famosen und oscarprämierten Weltraumfilm „Gravity“ vorgelegt, wie konkret das All als kinematographischer Handlungsraum nutzbar zu machen ist. Nolan zieht hier mit einiger Könnerschaft nach. Der Besuch eines kargen Eisplaneten, auf dem nichts als das Verderben (und ein überraschender Schauspielerauftritt) wartet, ist bedrückend realistisch, wie überhaupt großen Wert auf physikalische Korrektheit und Plausibilität gelegt wurde. Außerdem ist die Darstellung von All und Planeten schlichtweg überwältigend und sucht ihresgleichen im Science-Fiction-Genre. Doch es spricht nicht unbedingt für den Regisseur, dass er durch eine furchtbar sentimentale Vater-Tochter-Geschichte an die emotionalen Instinkte seiner Zuschauer appelliert, um der unheimlichen Dimension seines Untergangsszenarios auszuweichen.
Nach fast drei Stunden Laufzeit, die den Zuschauer mit großer cineastischer Energie in den Kinosessel drückt, aber weniger Fragen stellt als vielmehr ein Übermaß an Antworten parat hat, bleibt der leise Zweifel, ob man es trotz der handwerklichen Perfektion bei diesem überdimensionalen Epos nicht doch nur mit einem ästhetischen Hütchenspielertrick zu tun hat. Da hatte Kubrick den Knochen bereits ein wenig höher geworfen.