Herbert Grönemeyer :: Dauernd jetzt
Er tut und macht und ringt mit sich. Und ist dabei weiterhin ernst zu nehmen.
Das Spätwerk des verdienten Erfolgsmusikers. Zumeist eine heikle Angelegenheit. Die vielen Fans wollen Kontinuität. Etwas Bekanntes zum Festhalten. Und auf der Bühne dann die ganzen Hits. Der Künstler, zumal ein rastloser wie Grönemeyer, will Weiterentwicklung. Reibung und Experiment. Als er bei der Präsentation seines 14. Albums gefragt wurde, ob er sich vorstellen könnte, künftig nur noch sein reiches, über drei Jahrzehnte angesammeltes Oeuvre live zu interpretieren, hat es ihn kräftig geschaudert. Nein, nein und nochmals Nein! Niemals wolle er nur seine eigene Revuefigur werden.
Dann lieber das Ringen um kleinste Detail, das für ihn jede Studioproduktion mit sich bringt. Produzent und Nina-Hoss-Gatte Alex Silva sorgt seit Jahren dafür, dass der Grönemeyer-Groove halbwegs auf Ballhöhe mit internationalen Sounds bleibt. Für 2014/15 setzt das Team etwa – recht hipstermäßig – auf italienische Krimisound-Atmo der Sechziger. Gleich die Single „Morgen“ schwelgt in jener bittersüßen Düsterness. Eine Ballade, die sich zur Hymne hochschraubt. „Ich brauche keinen Schlaf“ singt Grönemeyer. Während im Video Lars Eidinger über Landstraßen braust. Auch bei „Verloren“ schwebt Zigarettenrauch in Moll über römischen Cafehaus-Tischen, an den Chansonnier Grönemeyer im Booklet von „Dauernd Jetzt“ die Tageszeitung „Il Messaggero“ studiert. Das ist zwar verglichen mit seinem wirkungsmächtigen Textapparat nur ChiChi.
Doch es zeigt, dass er weiterhin Pop sein will. Im weißen Anzug, mit Intendantenbrille oder auch im Flanellhemd. Das hat er, als notorischer Sweatshirt-Träger von einst, in den Nullerjahren gelernt. Derart präpariert kann dann auch mit „Unter Tage“ auf die grundehrlichen Jahre im Pütt zurückgeblickt werden. Es gibt Entgleisungen, wie die in der Euphorie des 7:1 gegen Brasilien entstandene Fußball-Ode „Der Löw“, wo der Pathos ans Lattenkreuz kracht. Musikalisch durchaus gelungen die Patriotismus-Neubestimmung „Unser Land“, wo Saxophon und Orgel zur „Tü-hü-cke“ swingen, die „im Detai-hiiel“ liegt. Neue Töne für „Tagesthemen“-Beiträge. Reichlich Vielfalt also, bei dem Liebe in mindestens vier Songs die Linie vorgibt. Annette Humpe führt ihn mit „Einverstanden“ noch in die Erwachsenen-Disco und „Feuerlicht“ mit World-Music-Einlage wirkt als gefühliger Wachrüttler zur aktuellen Flüchtlings-Problematik. Er tut und macht und ringt mit sich. Und ist dabei weiterhin ernst zu nehmen.