Heinz Rudolf Kunze
„Können vor Lachen“
Meadow Lake/Rough Trade (VÖ: 26.5.)
Herr Kunze macht sein Ding (und singt gegen Putin).
Weil Heinz Rudolf Kunze einer der Guten ist, lässt man ihm vieles durchgehen. Zum Beispiel dass bei ihm jeder Vers ein Wortspiel braucht, dass er so überdeutlich artikuliert, bis er bedeutungsschwanger wie Konstantin Wecker klingt, dass seine Musik oft nur einen Gitarrenakkord von angerockten Pur Schlagern entfernt ist. Unverzeihlich ist aber, dass er sich von „Desolation Row“ zu einem bildungsbürgerlichen Schunkler namens „Trostlosigkeitsallee“ inspirieren lässt, in dem er seine Belesenheit beweisen und zwischen Proust, Kafka und Hamsun in ebenjener Straße ein Häuschen beziehen will.
Das Zwischenmenschliche als Ort des Rückzugs vor der Schlechtigkeit der Welt
Doch wenn man diese oberlehrerhafte Dylan-Hommage auslässt, bietet „Können vor Lachen“ immer noch beachtliche 50 Minuten mit Songs, in denen Heinz Rudolf Kunze souverän die gesellschaftspolitische Relevanz des Privaten vorführt, für Gefühle und gegen den Zeitgeist singt. Und auch wenn er sich in „Der Irrsinn hat System“ mal kurz als Rocker geriert, bleiben er und seine Lieder doch der Gegenentwurf zum Rock’n’Roll, nicht nur wegen der cleanen Produktion und weil er sich weigert, auch nur eine einzige Silbe zu verschlucken, sondern auch weil er nie wirklich das Aufrührerische feiert und stattdessen bürgerliche Tugenden wie Zuverlässigkeit, Beständigkeit oder Treue propagiert, besonders in Songs wie „Halt mich fest“, „Halt das Herz an“ oder „Du tust mir gut“.
Das ist in Zeiten wie diesen ja auch nicht verkehrt. Zwar schafft Kunze es nicht ganz, das Weltgeschehen auszublenden, er gibt der Politik Tipps („Lass uns tun, was geht“) oder erzählt in „Igor“ von einem jungen russischen Soldaten, den Putin in die Ukraine schickt. Lieber nutzt er aber das Zwischenmenschliche als Ort des Rückzugs vor der Schlechtigkeit der Welt. Weiterhin neigt er zur Selbstbespiegelung, wenn er in Songs, die es sich zwischen Pop und Country bequem machen, den Romantiker („Liebes Lied“) oder die verletzliche Seele spielt („Klar hab ich geweint“) und seine Karriere bilanziert („Die furchtbaren herrlichen Jahre“).