Hank Williams :: Rare & Unreleased Recordings
Sehr frühe und späte Aufnahmen des tragischen Country-Helden
Als Hank Williams mit seinem Partner Smith Adair – der in diesem Duo am Kontrabass für die tiefen Töne zuständig war – 1940 das „Freight Train Blues/New San Antonio Rose“-Medley aufnahm, jodelte er schon so absolut professionell, wie man ihn gut zehn Jahre später bei einigen seiner großen Hits bewundern sollte. Da war er gerade 17 Jahre alt, aber das berühmte Timbre war schon voll entwickelt, und der Teenager, der da noch optimistisch in die Zukunft schaute, sang „San Antonio Rose“ fast schon mit einer Überdosis Gefühl.
Zwei Jahre zuvor hatte er „Fan It“ ziemlich routiniert absolviert. Ebenfalls auf Azetat wundersamerweise erhalten, ist dieser kurze Auftritt von 1938 die älteste von ihm jemals dokumentierte Aufnahme, zusammen mit den vier danach aufgezeichneten Songs unter archäologischem Aspekt also ein noch spektakulärerer Fund als die vor einigen Jahren endlich restauriert erschienenen „Mother’s Best“-Sendungen.
Eine Rarität ist auch der Mitschnitt eines im Herbst 1950 aufgenommenen Auftritts für die „March Of Dimes“-Benefizshow, in der er mit Ehefrau Audrey zu hören ist. Zu dem Zeitpunkt war seine Karriere als Alkoholiker und Star der Country Music schon sehr weit fortgeschritten, aber das Elend ihrer Beziehung überspielten die Eheleute mit bestens simulierter Harmonie beim gemeinsam vorgetragenen „Help Me Understand“, einem offenbar beliebten Country-Heuler zum Thema Scheidung, die untreue Audrey am Ende „Heavenly father, help me understand“ bittend!
Mit dem „Lovesick Blues“ hatte ein Jahr vorher Hank Williams‘ Karriere erst richtig steil abgehoben. Im Rahmen der frommen „Health and Happiness“-Sendungen für das Radio sang er das Stück natürlich als eines der ersten, diesen „little song“ einleitend mit den Worten: „There’s a lot of suffering in this song, we hope you never have to go through nothing like this.“ Wobei er sicher sein konnte, dass seine Zuhörer am Radio das ganze Herzeleid in diesem Lied nur zu gut nachempfanden. Wenn er danach im Duett mit Audrey Lieder wie „Where The Soul Never Dies“ oder „I Want To Live And Love“ vortrug, war eher Show-Routine geboten. Mit viel Gefühl sang er lieber ganz allein – auch Gospelmaterial übrigens wie „When God Comes And Gathers His Jewels“ und „I’ll Have A New Life“, das ihm so wenig fremd war wie Blues- oder Hillbilly-Klassiker.
Eine der wunderbarsten Entdeckungen dürfte in diesem umfassenden Set für nachgeborene Hank-Williams-Fans die anrührende Aufnahme von „Tramp On The Street“ sein. Das ist mit hochemotionalen, freilich kitschigen Versen wie „He begged for the crumbs from the rich man to eat/ He was only a tramp found dead on the street“ sein „Only A Hobo“ – nur von mehr religiöser Inbrunst getragen als das große Dylan-Lied. Stark Gospel-infiziertes Material wie das von Verleger Fred Rose komponierte „The Prodigal Son“ erwartete das Publikum damals offenbar ganz seIbstverständlich von Hank Williams. In die Rolle des lebenslustigen „Happy Rovin‘ Cowboy“ auf dem Weg „to a land beyond the blue“ schlüpfte er allerdings trotzdem regelmäßig immer wieder. So viel Bob-Nolan-Liedgut verbreitete zu Beginn der Sendungen reichlich gute Laune; Hank wurde als „singing sensation of the nation“ vorgestellt.
Die Aufnahmen der „Health and Happiness“-Sendungen kommen auf den ersten beiden CDs selbstredend ohne all die nachträglichen Overdubs, mit denen MGM die 1961 schon einmal auf den zusammengestellten LPs „On Stage!“ und „On Stage Volume II“ – ein Schwindel wie leider so manche der „nachbearbeiteten“ Hank-Williams-Aufnahmen – präsentiert hatte. Joe Palmaccio sorgte für das exzellente Remastering, als Produzent des Sets steuerte der einschlägige Hank-Williams-Historiker Colin Escott seine wie immer aufschlussreichen Anmerkungen bei. (Bear Family) Franz Schöler