Gracie Abrams
„Good Riddance“
Universal (VÖ: 24.2.)
Hauchzarte Taylor-Swift-Schülerin mit Potenzial
Man könnte sich die Sache leicht machen und Gracie Abrams als typisches „Nepo Baby“ bezeichnen. Dieser Modebegriff leitet sich von dem englischen Wort „nepotism“ ab, altmodisch übersetzt mit „Vetternwirtschaft“. Der Vater der 23-jährigen Songwriterin ist der einflussreiche Regisseur und Produzent J. J. Abrams („Lost“, „Mission: Impossible III“, diverse „Star Wars“-Sequels).
Keine Abrechnung, sondern eher eine Meditation über das Beverly-Hills-Gefühl
Eine wohlbehütete Tochter mit Villa und Pool also, die aber für ihre Herkunft natürlich nichts kann. Dennoch fühlt Abrams sich bemüßigt, in „The Blue“ auf den Hollywoodhintergrund einzugehen, eine verklausulierte Selbstbespiegelung, in der eine Textzeile „You talk about your dad …“ lautet. Der Song geht zwar nicht explizit auf die Problemzonen ein, die Kinder reicher Eltern für gewöhnlich zu bewältigen haben. Doch der schön melancholisch dahinklimpernde, dabei fein produzierte und hauchzarte Gitarrensong ist eben keine Abrechnung, sondern eher eine Meditation über das Beverly-Hills-Gefühl.
Bereits vor ihrem Debütalbum tauchte Abrams auf „Hot“- oder „To Watch“-Listen“ fürs neue Musikjahr auf. Da hatte sie längst internationale Konzerte hinter sich gebracht. Rings um ihre „hochverlegten“ Deutschland-Shows im letzten Mai setzte es Adjektive wie „einfühlsam“, „poetisch“ oder auch „kühne Lyrics“. Das US-Branchenblatt „Billboard“ lobt die milde Matrix von Produzent Aaron Dessner, „die zart unter ihr brennt, während sie eine magnetische Zurückhaltung an den Tag legt“.
Zwölf Songs der leisen Schule
Die Single „Where Do We Go Now“ ist so eine unvollkommene Romanze, die mit äußerster Vorsicht vorgetragen wird. Im Refrain wirft sie dann – oopsie! – die Hände in die Höhe. Man mag das unter der Rubrik „Gefühle zeigen können“ verbuchen. Es sind zwölf Songs der leisen Schule, die allein schon durch die Vita des Produzenten (Taylor Swift!) auf weltweiten Erfolg getrimmt sind. Blütenrein gemacht natürlich. Selbst ein Stück wie „I Should Hate You“ bleibt in der Blümchenkleidzone. Eine niedliche, neue Milde mit großer Zukunft.