Gordon Gano & The RyansUnder The Sun
Als die Klavierharmonien den Raum erfüllen, hat sich der zornige Teenager in einen desillusionierten 46-Jährigen verwandelt, der Selbstgespräche führt. „Do you forgive me?/ Can you forgive?/ Is there left any/ Of your love to give?“, fragt Gordon Gano und verneint kurz darauf. Sanfte Verzweiflung macht sich breit, als die Ballade „Under The Sun“ sich zu einem mit dem Schicksal hadernden Finale auftürmt.
Anfang der 1980er Jahre hat Gordon Gano noch treffender als jeder andere die teenage angst besungen. Wer selbst Teenager war, als das Violent Femmes-Debüt 1982 herauskam, für den sind Songs wie „Blister In The Sun“, „Kiss Off“ oder „Add It Up“ ähnlich bedeutsame Reliquien des Heranwachsens wie der Teddybär, der man kurze Zeit vorher vom Bett in den Schrank verschwinden ließ.
Keine der folgenden Violent Femmes-Platte war auch nur halb so aufregend wie das Debüt. Und auch Ganos neues Projekt mit den Brüdern Billy und Brendan Ryan (The Bogman) kann es selbstverständlich nicht mit diesem Meilenstein des Alternative-Rock aufnehmen. Auch wenn neben dem Titelsong „Under The Sun“ eine Nummer wie „Still Suddenly Here“ vorführt, wie Gano es versteht, seine Songs emotional zu verdichten, zu dynamisieren und mit Ironie zu versehen.
Die Ryan-Brüder bescheren Ganos Gesang vielfältige musikalische Unterlegungen, die manchmal etwas beliebig klingen, Wenn es in „Man In The Sand“ um die Vergeblichkeit alles Bemühens geht, darf tight gerockt werden. „Wave And Water“, das später in der Miniatur „Judge To Widow“ variiert wird, klingt funky und nach den Talking Heads. Das dramatische „Here As A Guest“ bekommt eine Akkordeon-Verzierung verpasst und geht im Refrain in einen Walzer über. Auf der Platte ist Platz für eine Countryrockballade („Home“), einen überdrehten Boogie-Woogie („Way That I Creep“), eine schrille Klezmer-Hymne („Oholah Oholibah“). Und noch einmal Gano darf im atemlosen „Red“ seiner alten Vorliebe für Abzählreime nachgehen.
Gunther Reinhardt