Glasvegas

A Snowflake Fell (And It Felt Like A Kiss)

Die Geschichte wird gerne erzählt: Als James Allan mit den Verantwortlichen der Plattenfirma den Vertrag aushandelte, lehnte er jedweden Luxus ab, bestand aber darauf, kurz nach Veröffentlichung des Debüts eine Weihnachtsplatte rauszubringen. Die Bosse hielten das zunächst für einen kleinen Scherz, doch Allan war es mit seinem Plan durchaus ernst. Ursprünglich war „Snowflake“ allerdings als komplettes Album angekündigt, hat nun aber eher den Charakter einer EP mit fünf neuen Stücken und einem „Silent Night“-Cover. Die Songs wurden zunächst in New York mit dem Produzenten Rich Costey (der auch am Debüt mitgearbeitet hatte) vorproduziert und dann innerhalb weniger Tage in Transsylvanien aufgenommen. Trotzdem ist alles wie immer: Bittersüßes Songwriting mit morbider Grundierung.

Und unterm Weihnachtsbaum liegt nicht selten ein Päckchen Tränen als Geschenk und ein Märchenbuch, bei dem der Teufel stets gewinnt. Allan weiß das, und deshalb zerbricht bereits im zweiten, absolut großartigem Song „Fuck You, It’s Over“ (U2-Gitarren! Stadion-Melodie! Trotzdem super!) eine Beziehung zur Weihnachtszeit – und zwar so brutal, wie es eben leider der Fall ist, wenn sich das Blatt wendet. Im folgenden, durch und durch gallebitteren Lullaby „Cruel Moon“ singt Allan die zu Tränen deprimierende Geschichte eines Obdachlosen („It’s Christmas time and I’m out on the street“). Dass er sich dabei offenkundig bei der Melodie von „As Tears Go By“ bedient hat, tut der Sache genauso wenig Abbruch wie die gezielt eingesetzten Glockenklänge, die uns endgültig zu Boden schicken, wo wir beschämt verharren und sofort eine Pulle öffnen möchten, die kurzfristig tröstet.

Das Titelstück erinnert hinsichtlich der Melodieführung etwas an den bekannten „Ice Cream Van“, doch scheint hier John Lennon das Klavier übernommen zu haben. Die Beschreibung der Weihnachts-Hybris schließt mit einem verdächtig lieblichen Cover von „Silent Night“ (unter Zuhilfenahme eines kompletten Kirchenchors!) und entlässt uns in den Nebenraum, als träte man im Winter nach der Messe aus der Kirche. Es ist leise, es ist kalt, aber am Ende der Straße brennt noch ein letztes Licht.