Lenny Kravitz

 Are You Gonna Go My Way (Deluxe Edition)

Virgin

Lenny Kravitz' bestes Album

Flying-V-Gitarre, die Haare, die Hosen, dazu ein Plattentitel, der wie eine Aufforderung zur Reise klingt, aber eher wie eine innere Reise, klare Sache: Siebziger! Es geht hier um Substanzen!

Wer in den frühen Neunzigern jung war, aber zu jung, um die Musik der Siebziger zu erlebt zu haben, aber irgendwie ein Retro-Gefühl fühlen wollte, der landete bei Lenny Kravitz (alle älteren nicht). Lenny sah aus wie ein Rockstar der Hippie-Bewegung, er nahm mit alten Geräten auf und sang über Space Age, Spiritualität und Felder, voll mit Rauschblumen. Da die Siebziger ab 1991 erstmals boomten, passt der damals 26-Jährige perfekt in die Zeit; undenkbar, dass er im 21. Jahrhundert mit der Retro-Nummer so groß werden könnte: Es gibt keinen Musiker mehr, der seine komplette Karriere auf die Rückbesinnung auf eine Ära begründen könnte. Warum, ist nicht klar. Aber, so ist es: Das ist niemandem mehr gelungen. Wer zum Beispiel in den Nullerjahren auf Achtziger machte, war ab dem zweiten Album auch schon wieder unbedeutend. Zoot Woman, Robyn etc.

Die Songs drei bis elf sind fast ausnahmslos Balladen

Lenny Kravitz war mit den Singles „It Ain’t Over Till It’s Over“ und „Always On The Run“ sowie dem dazugehörigen Album „Mama Said“ 1991 in den Charts erfolgreich, und mit „Are You Gonna Go My Way“ seinem darauf folgenden, nahm er 1993 auch sein erstes – und bis heute einziges – gutes Werk auf. Es war Kravitz‘ dritte Platte, und das Siebziger-Feeling findet hier seine Vollendung. Die spektakuläre Hendrix-Kopie des Titeltracks – im Gegensatz zu Hendrix‘ „Are You Experienced?“ auch ohne Fragezeichen gesungen – ist bis heute seine Messlatte. Der Gitarrenlauf, in jedem Proberaum rauf und runter gespielt, gehört mittlerweile zum Riff-Kanon. Auf „Are You Gonna Go My Way“ folgt sein zweitbester Song, „Believe“, auf dem er Gospel mit der sphärischen, eher unchristlichen Dimension von Pink Floyd erfolgreich vereint; Kravitz‘ dramatisches Gitarrensolo blendet irgendwann mitten im Drama aus, wahrscheinlich hätte er sonst ewig weiter gespielt.

Die Songs drei bis elf sind fast ausnahmslos Balladen. Bei all dem Rockergetue ist das eine Tatsache, die oft übersehen wird: Auf seinen ersten drei Alben versammelt Kravitz fast nur langsame Nummern, das Verhältnis Rocker zu Ballade beträgt zirka 2:9. Perfekte Sun-Downer. „Sugar“, „Eleutheria“, „My Love“: Das sind Hits für karibische Nächte, Reggae und Psychedelia, Musik auf einem Dauer-High; wie Erinnerungen an eine Epoche, bei der man die Südsee noch nicht per Billigflieger erreichen konnte, sondern nur einmal im Leben.

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Auf der „Wetten, dass …“-Couch

Wer den feisten Lenny heute sieht, wie er zufrieden auf der „Wetten, dass …“-Couch sitzt und mit deutschen Kabarettisten Scherze macht, Autowerbung mit seinen Songs autorisiert oder allen Ernstes glaubt, mit allein einem Albumtitel – „Black an White America“ – schon auf Missstände aufmerksam zu machen, der kann sich gar nicht vorstellen, dass der junge Mann damals Visionen hatte. Schnell jedoch war die gute Phase vorbei: Schon für sein nächstes Album „Circus“ (1995) engagierte Kravitz mit Terry Britten (Status Quo, Tina Turner) einen konservativen Songschreiber, damit der ihm unter die Arme greifen sollte. Anscheinend wollte Lenny gerade in den USA noch mehr Erfolg.

Die nun veröffentlichte Deluxe Edition von „Are You Gonna Go My Way“ auf Doppel-CD enthält neben dem Remaster auch die hörenswerten Akustkversionen ausgewählter Album-Tracks, die sieben B-Seiten der drei ausgekoppelten Singles, dazu Demos – sowie drei Songs, die Kravitz für Vanessa Paradis‘ Album komponierte, zum Beispiel „Lonely Rainbows“.