Geraint Watkins
In A Bad Mood
Goldtop
Geraint Watkins sieht aus wie ein 60-jähriger Schiffsschaukelbremser, der eben aus dem Bett fiel, das Haar ungekämmt, und dem nun der Bus vor der Nase weggefahren ist. Seit 30 Jahren spielt der derangierte Waliser so ziemlich alle Instrumente, doch seine beiden Alben stammen erst aus der letzten Zeit.
„In A Bad Mood“ entstand während der Aufnahmen zu Nick Lowes „At My Age“ einer Platte, die vor mehr als einem Jahr erschien. Mit den Musikern jener Produktion samt Lowe an der Rhythmus-Gitarre nahm Geraint Watkins diese Großvatersongs auf, die Steine zum Weinen bringen. Watkins‘ Lieder beginnen, wenn die Kirmes vorbei ist, die Nacht ohne Ende, die Liebe erkaltet – und der Alleinunterhalter mit seiner Orgel und ein paar Betrunkenen zurückbleibt.
„But life still goes on“, lügt er sich in „Unto You“ vor, „she means nothing to me.“ Das Akkordeon seufzt, Watkins schlägt traurige Kadenzen in die Tasten, dann ein sehnendes Gitarrensolo. In seiner verhallten und verorgelten Fifties-Seligkeit, dem Schnulzen- und Rock’n’Roll-Bravado, dem billigen Musette-und Chanson-Glamour übertrifft dieser Hexer des Herzschmerzes sogar Nick Lowe und Epigonen wie The Coral und Richard Hawley.
Zu Schiebewalzer und verlorenen Bläsern croont Watkins Verzweiflungslieder wie „Fools Like Me“, „My Love“ und „Bourgeoise“. Mit „Chagrin“ französelt er zur Hälfte ein Chanson, im Englischen geht es so: „Don’t look so sad/ It’s nothing/ All that you had is gone.“ Bei „History“ gibt er mit Funk aus der Tanzteehalle lässig den Barry White für verhärmte Hüftsteife.
Eine Ein-Mann-Lonely Heart’s Club Band – und, logisch: die ergreifendste Platte des Jahres. (Goldtop/Rough Trade)