Frank Ocean

Endless + Blond

Hier werden mal eben Beyoncé im Chor, Kendrick Lamar im Geplauder und James Blake ganz am Schluss eines späten Tracks verheizt. Mit "Endless" und "Blond" legt Frank Ocean zwei würdige Nachfolger seines Debüts "Channel Orange" vor.

Zuletzt sah es ja so aus, als ob Frank Ocean nach Lauryn Hill das zweite ewig uneingelöste Genieversprechen des Soul werden würde. Das hat sich jetzt mit gleich zwei Alben als Nachfolger seines großartigen, offiziellen Debüts „Channel Orange“ von 2012 erledigt: Innerhalb von zwei Tagen erschienen ein „visuelles Album“ namens „Endless“, und ein amtliches Popalbum namens „Blond“.

„Endless“ ist ein 45-minütiger S/W-Film, auf dem Ocean mit Schweißgerät und Holzkisten eine Treppe baut. Gerahmt von einem Technotrack, auf dem der große deutsche Fotokünstler Wolfgang Tillmans eine Firmenhymne auf eine Foto-App vorliest, laufen dazu einige Songs, die man sich als Skizzen vorstellen sollte. Der Großteil dauert jedenfalls kaum zwei Minuten und wirkt oft ein bisschen freihändig gestaltet. Meditativ entspannt, vielleicht auch ein bisschen internet-ironisch antiaufgeregt herrschte offenbar kein Druck, aus den schönen, zärtlichen, unterdrückt bis nur angedeutet rhythmisierten Stückchen konventionelle Lieder zu bauen.

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Ein paar schöne Popsongs gibt es allerdings mit dem tollen Isely-Brothers-Cover „You Are Love“, dem zu akustischer Gitarre klackernden „Slide On Me“ und dem zeitlupig dicken „Higgs“ durchaus. Außerdem eine interessante Gästeliste, die – wenn sie denn stimmt – vor allem von luxuriöser Verschwendung kündet: Man kriegt die jeweiligen Beiträge kaum mit.

Das wiederum hat „Endless“ mit „Blonde“ gemein. Hier werden mal eben Beyoncé im Chor, Kendrick Lamar im Geplauder und James Blake ganz am Schluss eines späten Tracks verheizt. Dabei bewegt sich auch „Blond“ sehr frei und großzügig – der 28-jährige Los Angelino hat offenbar einen Avant-Pop im Ohr, der so liquid daherkommt wie seine – im Urban-Bereich immer noch ungewohnte – sexuelle Orientierung, die er vor vier Jahren unter viel Medienaufruhr outete.

Vieles hier scheint eher aus- und ineinander als voran zu laufen. Oft wirken die Tracks wie kurz vor dem Auseinanderfallen – aber die künstlerische Perspektive hält sie eben doch beieinander: Wie Ocean hier mit seinem wunderbaren gospelnden (oder vokoderisierten) Falsettton durch die Tracks schwebt, dabei offenbar Frauen wie Männer („Skyline To“) begehrt, wie er allein mit einer Wimmerorgel („Solo“) spielt bzw. am Telefon von Mutti betüttelt wird („Be Yourself“), zwischen verhalten gepumpten und gerasselten Trap-Beats („Nikes“), schmurgelnden und flirrenden digitalen Effekten auch Sinn für leiernde Indieästhetik („Ivy“) zeigt; und auch mal Burt Bacharach und die Beatles zitiert – das ist schon ausgesprochen elegant, suggestiv und schön.