Fotheringay

„Fotheringay 2“

Weil Wunder ja manchmal etwas länger dauern, gibt es dieses Album erst mit einer leichten Verzögerung von 38 Jahren. Dafür, dass es existieren musste, gab es über die Jahrzehnte immer wieder mal neue Indizien. Produzent Joe Boyd hat einmal erklärt, er sei stolz darauf, Sandy Denny den Strawbs entführt und mit Fairport Convention verbandelt zu haben.

Eine kleine Weile zumindest war diese Kuppelei ja ungemein erfolgreich: In gerade mal anderthalb Jahren nahm die Sängerin mit dieser Band drei LPs auf. Von denen schaffte es die zweite („Unhalfbricking“) bis auf Platz 12, die dritte („Liege & Lief“) auf Platz 17 der Hitparade. Das machte Thompson & Co. zwar nicht zu Pop-Idolen, aber über solch spektakulären Erfolg dürfte sich sogar Island-Boss Chris Blackwell ein wenig gewundert haben.

Wieso sich die Sängerin nach so viel Anerkennung und Bewunderung auch seitens der Kritik entschloss, den Bettel hinzuwerfen und ihre eigene Band zu gründen, war dann doch ziemlich klar, wenn man sieht, wie wenig sie da ihre Ambitionen als Songwriter einbringen konnte. Beim Debüt der eigenen Band präsentierte sie unter den neun Aufnahmen gleich fünf aus eigener Feder, von denen etliche zu ihren größten gehören. Und das Traditional „Banks Of The Nile“ eignete sie sich so definitiv an, dass es „ihr“ Song wurde.

Alles schien einen guten Gang zu gehen. Für ihren Auftritt in der Royal Albert Hall (Vorprogramm: Nick Drake) wurden Fotheringay gefeiert, und die Aufnahmen zum Folge-Album zog man durchaus zügig durch. Die hatte Boyd mit seiner Mannschaft im Sound Techniques Studio schon so weit produziert, dass man die LP im Januar 1971 problemlos hätte fertigstellen können. Aber da erklärte die Sängerin, sie stehe nicht mehr zur Verfügung, strebe statt dessen ab sofort eine Solo-Karriere an.

Wenn die Liner Notes die Gründe für ihren plötzlichen und unumkehrbaren Sinneswandel korrekt darlegen, war die Sängerin restlos bedient und frustriert ob der Tatsache, dass „ihre“ Band so fasziniert war von diesem Superstar in spe Elton John, der bei einem gemeinsamen Auftritt mit Fotheringay das Publikum in sprichwörtlichem Sturm für sich hatte erobern können. Seit diesem Abend mussten Vertraute um sie herum keine größeren Anstrengungen mehr unternehmen, sie davon zu überzeugen, dass sie eine Solo-Karriere anstreben sollte.

Ein kleines Wunder ist jetzt das, was an elf „rekonstruierten“, nachträglich gespielten, restaurierten und zu einem guten Ende geführten Aufnahmen auf dieser CD endlich vorliegt. Von „Wild Mountain Thyme“ etwa existierte vorher nur ein Mehrspur-Band, bei dem Miss Denny sich selber an der Gitarre begleitend eine ganz wundervolle Deutung des Liedes gesungen hatte. Sehr viel „Basement Tapes“-Flair hat hier die Interpretation von Dylans „I Don’t Believe You“. Aber alles nichts für Zeitgenossen, die es blasphemisch finden, Historie zu verfälschen, indem man Dinge zu Ende denkt und unvollendete Werke nicht für immer im Archiv begraben wissen möchte. (Fledg’ling/Rough Trade)