F.S.K.

Freiwillige Selbstkontrolle

Der Groove regiert, das Reimlexikon funktioniert

Den Theorien von Thomas Meinecke zu folgen, fällt nicht immer leicht. Etwa wenn er in seiner Kolumne im Fachblatt „Groove“ DJ-Slang und Akademiker-Speak idiosynkratisch mixt und dabei den Inhalt seiner Plattenkiste nicht nur nerdig verklärt, sondern auch mit massenhaft Bedeutung auflädt. Aber keine Angst, das zwölfte Album der Freiwilligen Selbstkontrolle lässt sich auch ohne Subtext und Meta-Ebenen genüsslich hören. Um ehrlich zu sein: Es macht sogar richtig Spaß, dabei zuzuhören, wie hier dem authentizistischen Künstlersubjcktundeiner angeblich auf puren Emotionen und wahnsinniger Leidenschaft basierenden Musik der Mittelfinger gezeigt wird.

Nach der sehr abstrakten, meist am instrumentalen Trackorientierten Phase der letzten Jahre geht es jetzt wieder zu wie in den frühen Achtzigern. Beim Singen wechseln die Musiker sich ab, aber die Texte hat Meinecke alleine verfasst, wie immer mit Hilfe eines Reimlexikons. Was dabei herauskommt, hört sich im Extremfall an wie „Nocturne“: „Wohooh, woohooh, wo schleifst du mich denn heute Abend noch hin? Woohooh, woohooh, im übertragenen Sinn.“ Viel mehr Worte braucht es aber nicht, der Groove regiert, die splitternden Gitarren sind beste No-Wave-Schule. Der Unterschied zu Disco-Punks wie LCD Soundsystem besteht darin, dass hier alles handgemacht ist. Digital produzierte Dance-Music wird in die musikalische Sprache einer fünfköpfigen Band übersetzt. Mit dem Ergebnis, Meinecke möge mir solche Begrifflichkeiten verzeihen, dass „Freiwillige Selbstkontrolle“ wärmer und menschlicher klingt, ja fast schon eine bayrische Gemütlichkeit ausstrahlt, sofern das in dem Rahmen musikalischer Dekonstruktion möglich ist.

Einige Stücke wie das farbenprächtig lauernde „Größte Koalition“ sind Instrumentals – jedoch keine „Tracks“. „Sylvester“ bezieht sich auf den gleichnamigen Disco-Sänger, ein Held der Band, weil er als einer der ersten die Idee von Identität als performativen Akt in einem Song formulierte. Musikalisch leider eins der schwächeren Stücke, auch wenn die Bottleneck-Gitarre am Ende eine schöne Idee ist. „Virginia Beach“ reitet dagegen auf einem tollen Sex-Beat, „Coupe“ übt fast schon Gesellschaftskritik, zu schroffen Synthesizerklängen. Ein reiches, aber jederzeit zugängliches Album.