Elvis Presley
A Boy From Tupelo – The Complete 1953–1955 Recordings
Die frühen Aufnahmen beim Memphis Recording Service, in den Sun Studios und fürs Radio in einer Box mit drei CDs
In der ersten Hälfte des Jahres 1954 war Elvis Preslery ein braver, ein schmalziger Crooner, der zu schütterem Gitarrenspiel treuherzige Weisen sang: „My Happiness“, „It Wouldn’t Be The Same (With-out You)“, „Harbor Lights“, „I Love You Because“. Die Aufnahmen beim Memphis Recording Service waren so, die ersten Aufnahmen in den Sun Studios auch. Aber bei „That’s All Right“, am 5. Juli 1955, ging ein Ruck durch den 19-jährigen Jungen. Und bei der romantischen Rodgers/Hart-Ballade „Blue Moon“, ordentlich verhallt, ist der heulende Schwerenöter schon ganz Stilist. „Tomorrow Night“, mit pizzikater Gitarre eingerichtet, hat schon diesen Schmelz, dieses Dehnen und Sehnen, und ist ganz und gar Elvis. Im Juli 1955 wurde dann „Mystery Train“ aufgenommen.
Colonel Parker grient
„A Boy From Tupelo“ dokumentiert auf drei CDs, dass Elvis Presley einzigartig war – und dass er nicht einzigartig war. Er stand auf den Schultern von Riesen: von Bill Monroe und Leon Payne, Arthur Crudup und Roy Brown, Ray Charles und Chuck Berry. Die Show „Louisiana Hayride“ war bald sein Zuhause, er stand ganz oben auf dem Programm. Auf den Fotos im Booklet sieht man: Alle Männer, auch die jungen, sehen neben ihm uralt aus, alle Frauen, auch die jungen, rührend bieder. Hank Snow sieht aus, als hätte er ein Eichhörnchentoupet auf dem Kopf und gerade den Schlüssel für das Studio ausgehändigt. Colonel Parker grient neben den Good Old Boys. Vater Vernon hatte nur eine Erscheinungsform, die sich nie veränderte: Er war immer halb alt und silbrig. Mutter Gladys sah aus wie Elvis als reife Frau mit dunklen Augenhöfen und Zug ins Autoritäre. Auch als Knabe mit Fahrrad, 1949, strahlt Elvis’ Charisma. Sagt man natürlich heute.
Mit „Milkcow Blues Boogie“, „You’re A Heartbreaker“ und „Baby Let’s Play House“ nimmt Elvis seine Statur an: Die Elviswerdung brauchte nicht mehr als zwei Dutzend Songs. Kiekser, Rhythmisierung, Stimmfärbung und die instinktive Anverwandlung sind von allergrößter Selbstverständlichkeit. Unter den Radio- und Konzertaufnahmen auf der dritten CD sind auch „Shake, Rattle And Roll“, „I Got A Woman“, „Maybellene“ und „Tweedlee Dee“. Ein Interview bei einer Radiostation in Memphis aus dem Juli 1955 belegt die gute südstaatliche Erziehung.
Ungefähr alles, was man von Elvis Presley braucht – würde man nicht alles andere auch brauchen. (RCA/Sony Music)