Elvis Costello

King Of America

Edel/Import

Die Entdeckung Amerikas von 1986 - jetzt mit 21 zusätzlichen Tracks

Während Costello heute den amerikanischen Süden erforscht, untersuchte er 1985 die Phänomenologie der amerikanischen Musik – komponierte sie selbst, spielte sie mit amerikanischen Musikern und ließ sie von T-Bone Burnett produzieren. Es war ihm früher nicht die Idee gekommen, daß man Instrumentalisten vom Range James Burtons, Ron Tutts, Jim Keltners und Ray Browns einfach fragen kann, ob sie mitspielen würden. Als er es schließlich tat, kamen sie tatsächlich nach Los Angeles, um Elvis‘ Songs zu interpretieren. Ein wenig vermessen, hatte sich der Bewunderer auch Robbie Robertson und Ry Cooder an den Gitarren gewünscht, doch beide waren schon damals nicht nur legendär, sondern auch als Studiomusiker nicht zu haben.

Die versammelten Virtuosen spielten nicht bei allen Aufnahmen in derselben Besetzung. Meistens dabei war jedoch – an der Hammond B-3 – der junge Mitchell Froom, der den Klang von „King Of America“ prägte und später Platten für Costello produzierte (und für Richard Thompson, Randy Newman, Suzanne Vega). Die Attractions, die immerhin eine Seite des Albums aufnehmen sollten, schmollten ob der profilierten Konkurrenz, und Bruce Thomas, den Elvis in den Liner Notes nicht namentlich nennt, unterstellte dem Songschreiber sowohl eine Identitätskrise als auch Größenwahn.

Dabei trug Elvis die Krone, eine Replik der Kopfbedeckung der britischen Regenten, doch bloß fürs Album-Cover. Als Komponist nannte er sich wieder Declan Patrick Aloysius Mac-Manus, und nur der Plattenfirma war es geschuldet, daß die Chose mit „The Costello Show“ überschrieben wurde, während die Musiker als Confederates firmierten. Am Ende mißglückten die meisten Beiträge der Attractions, und nur ein Stück wurde auf der Platte veröffentlicht.

„King Of America“ ist eine Studie über Country und Folk wie über Exilantentum, die 50er Jahre und das Verhältnis von England und den USA. Fremdheit und Staunen beherrschen „Brilliant Mistake“, „Our Little Angel“, „American Without Tears“ und „I’ll Wear It Proudly“, so glänzende wie gefuhlige Lieder; emotionale (und privat inspirierte) Balladen wie Jack Of All Parades“ und „Indoor Fireworks“ sind von schmerzlicher Intimität, ebenso „Suit Of Lights“ und „Sleep Of The Just“. Nur die kratzige Fassung von „Don’t Let Me Be Misunderstood“, das wir von den Animals und Santa Esmeralda kannten, und der knarzige „Eisenhower Blues“ stammen nicht von Costello und lassen die Musiker von der Leine.

Es hätte Alternativen gegeben. „Blue Chair“ und „I Hope You’re Happy Now“ lagen als Demos vor (erschienen dann auf „Blood & Chocolate“), auch „Having It All“ oder „Suffering Face“ wären denkbar gewesen. Auf der zweiten CD enthalten sind die Solo-Demos, überwiegend schon als Skizze sehr gründlich formuliert, auch „King Of Confidence“, das Elvis wohl Bruce Thomas nicht gönnen wollte, und eine Version von Richard Thompsons „End Of The Rainbow“, das bei Konzerten nicht freundlich aufgenommen wurde, wie sich Costello erinnert. Sehr schön auch die schmissigen Lieder, die der Autor später unter dem Moniker Coward Brothers herausbrachte, und die Live-Aufnahmen. Schwer zu glauben, aber man suchte damals nach einer Single. Es wurde „…Misunderstood“, weil „Blue Chair“ aufgehoben werden sollte – ein glücklicher Entschluß, bedenkt man das spätere Meisterstück (als Single freilich so wenig ein Erfolg wie „Misunderstood“).

Für den Abschluß der Werkschau hat Costello noch einmal 6500 Worte geschrieben – Essay, Reportage, Glosse, Rechenschaftsbericht zugleich. Präzisere und luzidere Erläuterungen und Selbstauskünfte wird man nirgendwo finden. Und auch keine schönere und reichere Americana-Musik als die des neugierigen Meisterstudenten und Handlungsreisenden aus England.