Eels
„Hombre Lobo – 12 Songs Of Desire“
Papa Hugh Everett III glaubte an parallele Wirklichkeiten. Wenn der Quantenphysiker richtig lag und das Universum außerdem, wie wir schwer hoffen, ausgleichende Gerechtigkeiten anstrebt, ist sein Sohn in anderen Realitäten berühmt, reich und glücklich. Hier nicht so. Sechs im ziemlich eigenen Klang-Kosmos navigierende Studioalben mit erlebter, grandios transzendierter Tragik und diversen hinreißenden LoFi-Freakshows haben Eels-Projektleiter Mark Oliver E. aber immerhin als kauziges Alternative-Genie etabliert.
Zum siebten Werk hat sich der Multiinstrumentalist den Mullah-Bart von „Souljacker“ (2001) wieder wachsen lassen und heizt nun mit seinem Trio dem „Dog Faced Boy“ von damals eine Privathölle an. „Ich wollte keine offensichtlich autobiografischen Songs über einen einsamen alten Indie-Rocker schreiben, also dachte ich, es wäre interessanter, aus der Perspektive dieser Figur zu erzählen“, erklärt E den neuen Ansatz.
Das kleine Pelzgesicht ist nun zum kraftstrotzenden Werwolf herangewachsen, und E lässt ihn seiner Bella entgegenheulen und durch alle widersprüchlichen, quälenden Gefühle taumeln. Das testosterongeladene Biest protzt zu stampfenden Rhythmen als „Prizefighter“- und winselt als heimlicher Beobachter um ein bisschen Beachtung: „That look you give that guy, I wanna see looking right at me“.
„Lilac Breeze“ ist purer Rock’n’Roll. „Girl, I want it bad!“, fiebert der Lunatiker in geiler Raserei. Wie bewundert er ihre Erscheinung, mal zärtlich krächzend („In My Dreams“), mal zügellos wütend („Tremendous Dynamite“). Wie verzweifelt und hoffnungslos sehnt er sich und ahnt doch auch: „The longing is a friend, a way to stay close“ („The Longing“)- bis ihm der Wahn wieder wie ein donnernder Schiffsdiesel die irren Säfte durch den Körper pumpt („Fresh Blood“).
In hiesigen Pulp-Fiktionen haben es die liebeskranken Ungetüme selten leicht. Sie fallen von Häusern, sterben an Silberkugeln oder verstecken sich im brasilianischen Urwald. In E’s Parallelwelt überlebt der Menschwolf seine überwältigende, ekstatische Reise und darf Frieden machen mit seiner Andersartigkeit („Ordinary Man“). Eine kathartische Erfahrung, die auch seinem fabelhaft kompromisslosen Schöpfer zu gönnen wäre.
Rüdiger Knopf