Niemand kann behaupten, dass seine Plattenfirma Cochran je schmählich vergessen hätte. Sie ehrte den jungen Mann, der einst klargestellt hatte, gegen den Blues zur Sommerzeit sei noch kein Heilkraut gefunden worden, nach seinem frühen Tod regelmäßig mit LPs zum andauernden Gedächtnis. Zwischenzeitlich auch mit immer neuen Vinyl-Retrospektiven seiner beliebtesten und auch eher rarer Aufnahmen.

1988 erzählte Rob Finnis im gleichnamigen 4-CD-Set „The Eddie Cochran Story“ die Geschichte eines Rock-Idols, das krank vor Heimweh jede Woche während der England-Tournee vor seinem Todestag tausend Dollar mit den Eltern und Geschwistern daheim vertelefonierte, so rasch wie möglich wieder heimfliegen wollte und bei der Fahrt zum Flughafen bei demselben Autounfall umkam, den sein Kumpel Gene Vincent knapp überlebte.

So wie Frank Tashlin ihn in seiner Komödie „The Girl Can’t Help It“ in Szene gesetzt hatte, konnte man mit Fug und Recht auf die Idee kommen, man habe es hier mit einem gut aussehenden und talentierten Elvis-Klon zu tun. Schließlich war Rockabilly noch nicht mausetot, und die Aufnahmen, die Eddie Cochran ab 1956 mit seinem Kumpel Jerry Capeheart in den Goldstar Studio machte, waren – ähnliche Echokammer-Effekte wie bei Sun Records oder auch den frühen Gene-Vincent-Klassikern- noch in mancher Hinsicht vergleichbar.

Dieser Sound begeisterte den kleinen Jeff Beck damals schon sehr, wie jetzt auch auf der brandneuen Blue-ray-DVD-Version seines Gastspiels in Ronnie Scott’s Club einmal mehr dokumentiert. Cochran seinerseits war im zarten Teenager-Alter von 15 schon sehr von Chet Atkins und anderen Country-Gitarristen angetan, deren Fingerfertigkeit er unbedingt selber erlangen wollte. Wenn Bear Family Records sein Schaffen jetzt mit einem 8-CD-Box-Set dokumentiert (neun Stunden Spieldauer!), dann wohl auch deswegen, weil man ihn endlich angemessen als Rock’n’Roll-Pionier rehabilitieren möchte.

Das wurde er allerdings erst, als er zufällig Songschreiber Jerry Capeheart traf, der nach einem einigermaßen überzeugenden Sangestalent für seine Demos suchte. Für die ersten richtig professionellen Jobs hatte sich Eddie mit einem anderen Cochran, dem gleichwohl nicht verwandten Hank, zu den Cochran Brothers zusammengetan. Die versuchten sich zunächst als Country-Duo mit Songs und Singles, die von Western Swing, Honky Tonk und dem Geist von Hank Williams gleichermaßen inspiriert waren.

Aber dann kamen Elvis und dieser Carl Perkins mit „Blue Suede Shoes“. Letzterer lieferte die Blaupause für „Pink-Peg Slacks“, und wie man bei den über die Jahre aus den Archiven geholten letzten Cochran Brothers-Aufnahmen hören konnte, hatte die der Rockabilly-Bazillus bei „Fools Paradise“ und „Slow Down“ unheilbar infiziert. Bei den ersten Alleingängen für Crest und Liberty präsentierte sich Eddie nicht nur in typischem Elvis-Outfit, große Vorbilder waren da auch unüberhörbar Little Richard, Fats Domino und Chuck Berry.

„Am I Blue“ ein Rock’n’Roll-Arrangement zu verpassen, kann man auch für sehr abwegig halten, und seine Deutung von „Have I Told You Lately That I Love You“ war schon sehr Elvis‘ Balladen-Stil- nur nicht besonders gut- nachempfunden. Aber dann war auf einmal Schluss mit den Imitaten, und mit tatkräftiger Unterstützung von Jerry Capeheart begann Eddie Cochran eine ganze Serie von unsterblichen Rock-Klassikern zu schreiben wie „C’mon Everybody“, „Twenty Flight Rock“ und „Somethin‘ Else“, endlich denselben Ehrgeiz entwickelnd wie der befreundete Buddy Holly.

In die amerikanische Top 20 schafften es ganze zwei, aber in England waren posthum sogar „Weekend“ und „My Way“ Hits. An „Cut Across Shorty“ (eine Kuriosität im ganzen Eddie-Cochran-Repertoire) erinnerte sich Rod Stewart so gern, dass er das für seine zweite Solo-Platte aufnahm. Die wichtigsten Master, Alternativ- und Outtakes (wie der von den Who favorisierte Evergreen „Summertime Blues“) findet man hier- mit und ohne Echo-Overdub, in Mono- und Stereo-Mix, in den „speeded up“ wie in den korrekten Versionen- auf den ersten fünf CDs.

Auf den letzten drei viele Rundfunk- und Fernseh-Mitschnitte, Demos und Aufnahmen von Kollegen (Bob Luman, Johnny Burnette, Skeets McDonald usw.), bei denen Eddie der Session-Gitarrist war. Knapp die Hälfte des fast 200 Seiten umfassenden Begleitbuchs füllen die Liner Notes von Stuart Colman und viele rare Fotos. Amerikanische, deutsche und französische (!) Filmplakate und die schön geschmacklosen Aushangfotos von „The Girl Can’t Help It“ und „Untamed Youth“ fehlen auch nicht. (Bear Family)

Franz Schöler