„Donda“ ist samtig, dunkel, schwer – und endlich wieder ein gutes Album von Kanye West
Narrenfreiheit genutzt: The Resurrection of Ye
Der Heilige der letzten Tage ist zurück – mit einem Album, das den Vornamen seiner Mutter trägt: „Donda“. Die R&B-Sängerin Sleena Johnson wiederholt das Wort im „Donda Chant“ gefühlt hundertmal. Auch bei den Vorab-Präsentationen des neuen Werks hat der selbsternannte Präsidentschaftskandidat der 2024er-US-Wahl wieder alle Register gezogen. In drei Football-Stadien wurde frohlockt, gesungen und gejubelt; in Georgia stand auf der Bühne sogar ein Nachbau von Wests Geburtshaus, und zum Finale erschien Kim Kardashian im weißen Hochzeitskleid – obwohl sich das Paar ja eigentlich erst getrennt hatte… Na, egal – that’s entertainment! Wie die Tiffany-Ikonen Beyoncé und Jay-Z sind auch Ye und Kim längst on top (und darüber hinaus) und genießen die damit einhergehende Narrenfreiheit.
Sei’s drum, denn „Donda“ ist ein recht gutes Album geworden. Nicht bloß im Vergleich zum frömmelnden Totalabsturz „Jesus Is King“ vor drei Jahren. Der Ton des mit 1:48 Stunden extrem langen Werks ist samtig, dunkel und schwer, das Thema Glaube wird allerdings oft so subtil behandelt wie in „Die zehn Gebote“, mit Charlton Heston. Bei „Believe What I Say“ begegnen wir dem scheinbar vom Saulus zum Paulus gereiften Ex-Schwulen-Hasser Buju Banton, in „Jail“ ist der wegen Missbrauch und Vergewaltigung angeklagte Marilyn Manson mit von der Partie. Auch Jay-Z ergreift hier wieder sehr gekonnt das Wort: „Made in the image of god, that’s a selfie/ Pray five times a day, so many felonies.“
Es ist nicht leicht, sich als Nicht-Fan durch das Geflecht der Querverweise und Andeutungen von „Donda“ zu navigieren. HipHop ist hier noch mehr als sonst ein Geflecht, in dem Gossip, Glaube, Politik und Alltag miteinander verschmelzen. So wie im hymnischen (und dennoch düsteren) „Jesus Lord“, eine bittere Auseinandersetzung mit den vielen abwesenden Vätern in der schwarzen Community. Das Outro rappt Kanye zusammen mit Larry Hoover Jr., dem Sohn eines bekannten, zu lebenslanger Haft verurteilten Gang-Leaders. West mag ein durchgeknallter Vogel sein, doch mit „Donda“ zeigt er endlich mal wieder seine Skills. (Universal)