Der Fall Böse
Die ganze Nacht
RODREC / Cargo Records VÖ: 17. August 2012
Für den Tag des Forums haben uns einige Mitglieder auch Platten-Reviews geschrieben. Lesen Sie hier die Review zum Album „Die ganze Nacht“ der Hamburger Band Der Fall Böse.
Über Hamburg St. Pauli gibt es bereits so viele Legenden, dass jeder locker eine Hand voll zusammen bekommt. Ob nun Reeperbahn, Star Club, Große Freiheit, Herbertstraße, Musicals, Straßenstrich oder den FC St. Pauli – die Reihe der Assoziationen ist vielfältig. Wer aber in den letzen Jahren etwas abseits der Touristenpfade auf dem Kiez unterwegs war, konnte auch Bekanntschaft mit Der Fall Böse, dem heißesten Liveact des Viertels, machen. Ein wahnwitziger Mix aus Soul, Funk, Blues, Rock und Straße erwartet den Zuhörer und packt ihn vom ersten Moment an. So auch auf dem neuen Album der siebenköpfigen Band Die ganze Nacht.
Der Opener und Singletrack „Über der Stadt“ kombiniert gleich ein Rock’n’Roll-Piano mit wilden Saxophonen, Gitarren und einem Text mit maximalen „genausoisses“-Faktor. Ob treibender Shuffle („Am Ende des Tages“), Countryblues („Nirgendwo„), „Instant-Karma-Beat (Motten)“ – jeder neuer Track bringt neue Facetten der Gruppe hervor. Gerade wenn man denkt, jetzt hat man die Trickkiste der Band durchschaut, und so großartige Tracks wie Licht aus gehört, kommen auf einmal bei „Durch die Nacht„ Kopfstimmen-Gesänge von Böse-Stammgast Chris Kiel (Johnny Liebling, Lovekrauts) und machen deutlich, dass Der Fall Böse auch Disco kann. Aber der Höhepunkt kommt erst noch: „Jekyll & Hyde“ rockt das Dach vom Haus und klingt so, wie man sich immer wünschte, dass Selig einmal geklungen hätten.
Die beiden Sänger Björn und Lesly Farfisa ergänzen sich perfekt und spielen ihre Stärken aus. Drummer und Produzent Bente Faust hält das System mit seinen unnachahmlichen Grooves zusammen. Wenn man an dieser Platte etwas kritisieren wollte, dann vielleicht, dass es nach hinten raus zu viele Songs werden, die den Vergleich mit dem ersten Zweidrittel nicht halten können. Aber alles in Allem sind dies Marginalien, die das Vergnügen an diesem tollen Album nicht schmälern. Wenn man schon nicht die Gelegenheit hat, St. Pauli livehaftig zu erleben, kann man mit dieser Platte mehr als nur einen Hauch von dem Geist des Hamburger Kiez in sich aufnehmen und ein großes Herz mit einem tanzenden Popo spüren.
Beste Songs: Jekyll & Hyde, Licht aus