Deichkind
„Neues vom Dauerzustand“
Sultan Günther/Universal (VÖ: 17.2.)
Immer noch der bestmögliche deutsche HipHop
Vor einigen Monaten spazierte Deichkind-Gründer Philipp Grütering durch die Instagram-Feeds, an der Leine einen Roboterhund der Firma Boston Dynamics, um die neuen Tour-Termine für 2023 anzukündigen. Bald darauf gaben Deichkind bei „Inas Nacht“ ihre neue Single „In der Natur“ zum Besten – mit schwarzem Lederhosen-Jodler zwischen notorisch nordischen Shanty-Senioren –, und die Vorfreude auf ein neues Album stieg.
Die Mischung aus muskulösen Techno-Beats und superironischen Wortspielen ergibt immer noch den bestmöglichen deutschsprachigen HipHop
„Ich hänge hier im Wald rum, ohne Hafermilch und Heizung/Hier versau ich mir den Look/ Und die Hagebutte juckt.“ Ist es nicht so, wenn wir mal ehrlich sind? Das einzig Schlechte, das man über Deichkind und ihr achtes Studioalbum sagen kann, ist, dass es tatsächlich in erster Linie Neues vom Dauerzustand bietet. Doch die Mischung aus muskulösen Techno-Beats und superironischen Wortspielen ergibt immer noch den bestmöglichen deutschsprachigen HipHop. „Auch im Bentley wird geweint“ lässt Großmäuler wie Bushido oder Haftbefehl ziemlich arm aussehen: „Blick auf die Rolex – Zeit für eine Breitling.“ „Merkste selber“ bringt unter stürmischem Beat-Geklopfe (und mit Unterstützung von Clueso) eher die Dada-Seite zum Funkeln.
Neben Loriot und Helge Schneider nennt Grütering auch den Brachialkomiker Fips Asmussen als humoristische Inspiration. Die kauzigen Späße der Studio-Braun-Clique sind dem Kollektiv aber eindeutig näher, vor allem wenn der Familienvater Grüterin gmit seinen 48 Jahren rappt: „Kids in meinem Alter haben in eurem Alter eine Wohnung für fünfhundert Euro bekommen“, oder wenn er vor „gefährlichem Halbgoogeln“ warnt. Letztlich ist „Neues vom Dauerzustand“ natürlich vor allem Futter für die kommenden Live-Spektakel. Der meinungsstarke „Wutboy“ ist da genau richtig: „Willst du den Friedenwahren, braucht es noch mehr Kriegsmilliarden!“ Ja, der Dauerzustand hält auch in den sozialen Netzwerken an. Gut, dass Deichkind uns die Gelegenheit geben, wenigstens ab und zu darüber zu lachen.