Dawes
„Oh Brother“ – Immer noch erste Reihe
Dead Ringers/Cargo (VÖ: 11.10.)
Taylor und Griffin Goldsmith kehren zum melancholischen Westcoast-Folkrock zurück.
„Die schon wieder“, sagt ein Kollege, als das neue Album der Dawes ankam. Wahrscheinlich ist es bei den Goldsmith-Brüdern ein bisschen wie bei Bright Eyes: Sie sind schon so lange dabei, sie machen so konstant so gute Musik, sie kommen einem längst wie die netten Nachbarn vor, die man halt ständig sieht, ohne noch groß Notiz von ihnen zu nehmen. Aber niemals sollte man etwas Wunderbares für selbstverständlich halten! Also dürfen die Dawes weiterhin gefeiert werden – und bei ihrem neunten Werk seit 2009 vielleicht sogar noch etwas mehr als zuletzt. Denn bei den Dawes hat sich einiges, was sie selbst wohl für sicher hielten, als überraschend fragil herausgestellt.Sänger/Gitarrist Taylor und Schlagzeuger Griffin Goldsmith sind jetzt nur noch ein Duo – Taylor nennt es eine Art Wiedergeburt, und gleichzeitig ist es eine Rückkehr zu den Kernkompetenzen der Brüder.
So sehr nach Kalifornien klangen sie länger nicht.
So sehr nach Kalifornien klangen sie länger nicht. Diese mühelos wirkende Mischung aus melancholischem Folkrock, sanften Klavierballaden und etwas ausufernderen Passagen, bei denen die Gitarren ein bisschen lauter werden dürfen: Das kriegen sie immer noch besser hin als alle anderen seit den seligen 70er-Jahren, von Jackson Browne mal abgesehen. Perfekt dazu passend erzählt Taylor Goldsmith herrlich abgeklärt von all den Schieflagen des Lebens. In „Mister Los Angeles“ amüsiert er sich über die Oberflächlichkeiten der Stadt, über die Fitnesstrainer, Therapeuten und Agenten mit ihren eigenen Agenden – und sitzt selbst mittendrin. So wie er beim Weltuntergang einen „Front Row Seat“ hat: „I’ll bring the popcorn/ You bring some wine“, und dann mal abwarten.
Die meisten Lieder handeln von unerfüllten Träumen und nicht immer erfreulichen Überraschungen – und davon, wie wir vielleicht würdevoll damit umgehen können. Es ist erwachsene Musik für erwachsene Menschen, die Dawes sind keine Berufsjugendlichen. Seit „All Your Favorite Bands“ hat sich Goldsmith nicht so viel Nostalgie erlaubt wie bei „House Parties“, dem wummernden Herzstück des Albums, und wenn er in „Enough Already“ mit seinem Ehrgeiz hadert und sich zu mehr (Selbst‐)Zufriedenheit aufruft, weiß man doch schon: Das wird glücklicherweise nichts. Die Dawes haben noch viel vor.