David GrayDraw The Line
Nein, ein großer Charismatiker wird aus David Gray nicht mehr. Schon immer schien es so, als wäre der irische Barde ein Zweifler in eigener Sache, ganz bestimmt aber in Sachen Ruhm und Hitparade. Doch in letzterer ist David Gray zu Hause, seit er vor vielen Jahren das meistverkaufte Album Irlands aufgenommen hat. Mmmhh, hört man ihn sich wundern, mmmhh, wie kommt das bloß.
Gray hat nun nach einer Schreibblockade ein neues Album aufgenommen, es ist ungefähr genauso wie die vorigen. Man muss hinein in diese Lieder und sich gut konzentrieren, um die Unterschiede auszumachen, sonst laufen sie so durch, schön sensibel, verknautscht.
Der Opener „Fugitive“ rollt großherzig, Gray jubiliert sehnsuchtsvoll wie Elton John, dem diese Melodie auch hätte einfallen können. „Draw The Line“ ist leise und ein bisschen geheimnisvoll, Gray sitzt zwischen den Stühlen, wünscht sich Veränderung und klare Grenzen. Das Lied ist – wie die Platte überhaupt – klassisch produziert, das elektronische Beiwerk ist hier ja längst kein Thema mehr. „Nemesis“ ist ein Schlaflied, die elektrische Gitarre klingt wie eine Spieluhr. Vielleicht eine Verführung? „I’m the manta ray/ I’m the louse/ I am the photograph/ They found in your burned out house“, singt Gray gar nicht kuschelig, „I am the sound of money washing down the drain/ I am the pack of lies/ Baby that keeps you sane.“
Überraschung bei „Kathleen“: Die Frau im Hintergrund ist Jolie Holland. Ein bisschen gewollt wirkt die Zusammenarbeit, weil Hollands eigenwillige Stimme sich nicht ganz fügen will. Beim kräftigeren Finale „Full Steam Ahead“ klappt das besser – keine Geringere als Annie Lennox singt hier im Duett.
Es sind die seufzend-romantische Freundlichkeit und der weiße, an Van Morrison geschulte Folk-Soul, die auch dieses Album von David Gray charakterisieren. Ihretwegen hört man zu, nimmt das Fehlen echter Höhepunkte und wirklich außergewöhnlicher Songs in Kauf. Und hat dafür immerhin die Musik eines Mannes, der nie vorgegeben hat, mehr zu sein als nur er selbst.