David Bowie
Who Can I Be Now? (1974-1976)
Zweite Box mit Alben des großen Pop-Eklektikers – leider ohne überraschende Zusätze, dafür mit vielen Remixes
„It’s hip to be alive“, sang Bowie in „Win“, abgemagert, kokainabhängig, sein Überleben verstand er als popkulturelles Statement. Eine pervertierte Form von Dasein für die Kunst. Obwohl er jene Zeit einmal als „die schlimmste meines Lebens“ bezeichnete, nahm der Brite mit „Young Americans“ und „Station To Station“ zwei mutige Alben auf. Ersteres firmierte als „Plastic Soul“ aus Philadelphia, ein Tanz mit den „Afro-Sheilas“; Letzteres war eine Hommage an Kalifornien, an Chanson („Wild Is The Wind“) und Funk („Stay“).
Beide Platten sind, wie ihr Vorgänger, „Diamond Dogs“, Teil der zweiten Bowie-Retrospektive, „Who Can I Be Now? (1974–1976)“, mit zwölf CDs und 13 LPs. Das Konzept von „Diamond Dogs“ war größer als die Musik selbst. Es gab eine Tournee mit futuristischer Hochhauskulisse, mit „1984“ ein Disco-Lied über den Orwell-Staat. Der Rest wirkte dagegen rückwärtsgewandt. Der Titelsong und „Rebel Rebel“ waren Glam, ein längst abgehangener Stil, vom Cover blickte uns noch der Vokuhila-Ziggy entgegen. „David Live“ erschien 1974 zur Reise, es war, endlich, seine erste Live-Platte. Aber „Spiders From Mars“-Stücke wie „Moonage Daydream“ fühlten sich in der Varieté-Version fremd an. Zum Glück kann man Pantomime nicht hören.
Bedauerlich, dass für die Kollektion – wie für den Vorgänger, „Five Years (1969–1973)“ – wenige Perlen ausgegraben wurden. Und erstaunlich, weil Bowie zwischen 1975 und 1976 so wenige Outtakes wie nie hinterließ (sich hier also eine Gelegenheit für lückenlose Dokumentation bot) und schon die Rykodisc-Fassungen ab 1990 ja mit Rarem à la „After Today“ oder dem Springsteen-Cover „It’s Hard To Be A Saint In The City“ aufwarteten. Die hier enthaltenen „Re:Call“-CDs versammeln Singleversionen: Bekanntes, geremixt und gekürzt. „Station To Station“ wurde von 10:14 auf 3:40 Minuten reduziert, beginnt mit der „Once There Were Moutains“-Melodie – was bei diesem Epos der Gefühlsschwankungen keinen Sinn ergibt.
Auch das im Vorfeld beworbene „The Gouster“-Album, eine „Young Americans“-Frühversion, umfasst dem Fan Vertrautes, wenn auch in diversen Mixen. Hier hätte man alles herausholen können – es kursieren großartige Bootlegs von 1974: Bowie im Chor mit Ava Cherry, auch „Shilling The Rubes“ und die Arbeit mit Luther Vandross, aus dessen „Funky Music“ Bowies „Fascination“ wurde. Das hätte den Werdegang der Kompositionen aufgezeigt. Dieses Boxset wird einem noch lange Kopfzerbrechen bereiten, denn es enthält herausragende Musik – fahrig kompiliert. (Plg/Warner)