David Bowie
„Let’s Dance“
Wie David Bowie 1983 mit „Let's Dance“ seinen größten Erfolg feierte.
„Of God and Men“ sollte das Album ursprünglich heißen, der Titel wäre die Abwandlung einer Zeile aus „Modern Love“ (dort heißt es: „in God and Man“). Von Göttern und Menschen: ein Titel wie ein Manifest.
David Bowie entschied sich für „Let’s Dance“, für das Luftige. Das Werk erschien drei Jahre nach „Scary Monsters (and Super Creeps)“ und beendete seine bis dato längste Plattenpause. „Let’s Dance“ gilt als Easy-Pop, „Achtziger-Bowie“, als Beginn der Phase mit den knallgrünen Anzügen, der Neon-Frisur und der unnatürlichen Gesichtsbräune.
Solche Einordnungen sind auch ein zuverlässiger Hinweis darauf, dass der eine oder andere die Song-Texte Bowies vielleicht nur überflogen hat.
In den ersten 18 Album-Minuten, seinen besten ersten 18 Minuten seit „Station To Station“ und „Low“, ist alles drin. Rassisten und Faschisten („China Girl“), Ultrareligiöse („Modern Love“) und Imperialisten („Let’s Dance“). Der Aufruf zum Tanz ist ein Aufruf zum Konsum – und daraus folgt Verderben, was auch die Aborigines in David Mallets berühmten Video erfahren mussten.
„Put on your red shoes …“
1983 erblühte die Maxi-Version, und auch Bowie vertiefte sich in die Ära der extensiven Passagen mit einzeln herausgestellten Instrumenten. Die Single „Let’s Dance“ erklomm weltweit Platz eins der Charts (seine bis zum Tod letzte Top-Position), aber es ist die längere Albumfassung, die überwältigt. Statt Bowies „Put on your red shoes …“ setzen zunächst Bläser ein. Mac Gollehon und Robert Aaron an Trompete und Saxon waren Mistreiter des Produzenten Nile Rodgers’, und sie arbeiteten eher destruktiv. Das Lied beginnt im wohltuenden Chaos. Die Single-Version ohne diese Bläser-Ausschweifungen kennt jeder. Bowie-Puristen lehnen sie ab.
2017 wurde erstmals das legendenumrankte Demo von „Let’s Dance“ veröffentlicht, als Stream. Beim diesjährigen Record Store Day erscheint es auf Vinyl. Der vierten, für Herbst erwarteten Bowie-Retrospektive (könnte sie „Of God and Men“ genannt werden? Hoffentlich nicht „Put On Your Red Shoes“) ist die Frühfassung sicher auch beigefügt. Sie verdeutlicht, dass der Einfluss des Produzenten Nile Rodgers nicht überschätzt werden kann.
Aus dem Akustigitarren-Flamenco machte der Chic-Chef einen Tanzflächensong, samt eines Schlagzeugs, das auf keinem anderen Lied der Geschichte fetter klang (und das Rodgers für den INXS-Song „Original Sin“ im darauf folgenden Jahr reproduzierte). Dave Grohl sagte, „Let’s Dance“ ist der beste Luftschlagzeug-Song aller Zeiten, und er hat Recht. Dazu wartete das Lied mit einem Varieté-ähnlichen, sich steigerndem „Ah-Ahh-Ahhh!“-Chor auf. Diese „Tanznummer“ war an Zynismus schwer zu überbieten.
David Bowie auf „Serious Moonlight“-Tour
Die Gitarre spielte hier und auf „Cat People (Putting Out Fire)“ Stevie Ray Vaughan. Bowie konterte seinen Kritikern gelungen, wenn er auf den „neuartigen Hybrid“ verwies, den seine Platte gebar: eine Mischung aus Blues-Rock und Dance. Die bekanntesten Songzeilen waren ja „Under The Moonlight … THE SERIOUS MOONLIGHT“ und „Put On Your Red Shoes“, aber entscheidend war eben, was nach „Put On Your Red Shoes“ kam: „ … And Dance The Blues“.
Mit der „Serious Moonlight“-Konzertreise, auf der er sein immerhin schon 15.(!) Album vorstellte, erarbeitet Bowie sich sein erfolgreichstes Jahr. Ähnlichen Erfolg wie der Senior hatten 1983 nur Michael Jackson („Thriller“) und The Police mit „Synchronicity“. Die Songs arrangierte er live über Strecken fast schon als Medley, und Klassiker wie „Look Back In Anger“ oder „Golden Years“ erschienen in den neuen, bisweilen Bigband-artigen Arrangements wie für den „Let’s Dance“-Sound gemacht.
Der 36-Jährige wollte den Pop-Sound
Wer David Bowie ab den 1990er-Jahren rehabilitieren wollte, musste dessen jeweilige Neuveröffentlichung lediglich mit dem – inflationär genutzten – Label „Das beste Album seit ‘Scary Monsters‘!“ versehen, also auf den „Let’s Dance“-Vorgänger von 1980 verweisen. Was bedeutete, dass Bowie mit „Let’s Dance“ sein erstes schlechtes Werk veröffentlicht haben soll.
Dabei ist es ja gerade der abwechslungsreiche, von Platte zu Platte die Stile variierende Bowie, den Kritiker vergöttern. Und deshalb war „Let’s Dance“ auch ein mutiges, präzises und ausdrucksstarkes Werk. Der 36-Jährige wollte den Pop-Sound, er wollte die Hits, aber es ging ihm auch darum, starke Inhalte transportieren.
Wer den „kommerziellen Bowie“ angreifen will, könnte doch bei „Tonight“ (1984) und „Never Let Me Down“ (1987) ansetzen. Das waren gute Alben mit guten Themen, aber mit ihnen kopierte Bowie doch die Klänge dieser Platte.
Bowie-Anhänger sehnen sich nach Etikettierungen. Warum dann in Zukunft kein: „Sein bestes Album seit ‚Let’s Dance‘? 1983 war David Bowie state of the art.