David Bowie
Cracked Actor (Live In Los Angeles ’74)
Bowies Kabarettversuche als posthumes Live-Album
Natürlich macht es einen Unterschied, ob David Bowie die Songzeile „I’m an alligator!“ schreit oder ob er sie hörbar mit Spitzbubenlächeln spricht wie ein schlecht gekleideter Charmeur. „Moonage Daydream“ war großartig in der Rockversion seiner Spiders From Mars. Diese tuffige Bläserfassung von Bowies 1974er „Diamond Dogs“-Tour jedoch ist beispielhaft für viele seiner damaligen schrägen Neuinterpretationen. „Aladdin Sane“ als Salsa?
Zwar waren die Konzerte als Par-odien angelegt, nur schien nicht klar zu sein, wen oder was Bowie eigentlich parodieren wollte. Er verbaute für die apokalyptische Bühne jene Hochhaus-attrappen inklusive Verbindungsbrücken aus seinem nicht realisierten Orwell-Musical „1984“. Quasi als „Mann mit den vielen Gesichtern“ stolzierte er mit einer Stabmaske auf der Bühne herum. Man hört das auf dem Album natürlich nicht, aber es floss in Davids Horrorshow mit ein.
Aus Diamond wurde Soul
Dennoch übertrumpft „-Cracked Actor“ das andere Live-Dokument jener Ära: „David Live“, -gerade eben so. Der Musiker hatte im Lauf der Konzertreise den Soul für sich entdeckt, stand in den Planungen für sein Album „Young Americans“. Hinzu stießen Carlos Alomar an der Gitarre (endlich ein angemessener Ersatz für den Spiders-Saitenmann Mick Ronson) und der junge Luther Vandross als Backgroundsänger.
Selbstbewusst benannte Bowie die „Diamond Dogs“-Tour in die „The Soul Tour“ um und stellte, wie hier in Los Angeles, neue Songs vor, deren Live-Versionen nun -ihre offizielle Audiopremiere feiern. Das schwelgerische „It’s Gonna Be Me“ und „John, I’m Only Dancing (Again)“, die Philly-Soul-Version seiner Queer-Hymne von 1972. Beide weitsichtiger, beide mutiger als der „Ha! Wer bin ich nun?“–Klamauk der „Diamond Dogs“. (Warner)