Dave Eggers :: Der Circle
Dave Eggers erzählt weiter an der Gegenwart entlang. Nachdem er über Flüchtlingsschicksale geschrieben hat und über Opfer des Hurrikans Katrina, den paranoiden Krieg gegen Terrorismus und die globalisierte Wirtschaft, die er im fantastischen „Hologramm für einen König“ in kafkaesker Lesart präsentierte. Im 2013 erschienenen Roman „The Circle“, der nun in der Übersetzung von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann vorliegt, geht es um die sich im virtuellen auflösende Privatsphäre, die Silicon-Valley-Kultur und die schöne neue Arbeitswelt, in der man nicht weiterkommt, ohne seine Seele zu vermieten. Die 24-jährige Mae Holland hat sich durch Vermittlung einer Freundin ihren Traumjob geangelt und arbeitet beim Internetkonzern „Circle“, der hip ist wie Apple, allumfassend wie Google, mit einem Absolutheitsanspruch wie Facebook oder Scientology. „Circle“ stattet alle Kunden mit einer einzigen Online-Identität aus, mit der man das gesamte virtuelle Leben abwickeln bzw. gleichschalten kann. „Circle“ weiß alles über seine Kunden, so wie die böse NSA und der elende Big Brother in Orwells „1984“ – nur dass er sein fieses Ansinnen mit Gutmenschentum und Marketingsprech aufhübscht. Mae fällt auch auf diese Datensammlerdiktatur herein, geht voll auf in ihrem Job, macht Karriere und wird für das Unternehmen bald eine Galionsfigur für Transparenz. Sie legt ihr Leben und somit auch das derjenigen, mit denen sie interagiert, mittels einer neu entwickelten Minikamera vollkommen offen – und der alte Spontispruch vom Privaten, das auch immer irgendwie politisch ist, erfährt eine unheimliche Wendung.
Das Erschreckende an diesem Pageturner ist, dass einen all die Wendungen, die den Circle für Mae schließlich zum Teufelskreis machen, nicht wirklich schrecken, weil man ja längst um die Gefahren weiß. Eggers’ schmuckloser Erzählton, seine auf Benutzeroberflächen reduzierten Charaktere, die allzu offensichtlichen Bilder und das recht durchsichtige Hipster-Bashing sind keine große Literatur, ein wichtiger Roman ist „Der Circle“ nichtsdestotrotz, weil er ein wenig Distanz schafft zwischen uns und der schönen neuen Welt, in der wir so selbstverständlich leben. (Kiepenheuer & Witsch, 22,99 Euro)